Fakten und Fälschungen Russland: Polen ist schuld an Stalins Pakt mit Hitler

Neuland. Unter den diplomatischen Lautsprechern, die führend bei der Verbreitung „alternativer Fakten“ tätig sind, ist Marija Sacharowa (engl. Schreibweise: Zakharova) eine der auffälligsten.

Marija Sacharowa, die Sprecherin des russischen Außenministers.

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Das auch, weil zu den Hobbys der Hüterin eines überdimensionalen Puppenhauses (siehe goo.gl/NMrBhZ) die Pflege eines recht lebenslustigen Instagram-Accounts (siehe goo.gl/Nhv4od) gehört. Wenn die Sprecherin des russischen Außenministers jedoch politisch loslegt, schrillen in Russlands Nachbarländern häufig die Alarmglocken.

So fanden es keineswegs alle Anrainer beruhigend, dass Sacharowa weltweit durch russische Botschaften (siehe goo.gl/B8dAn7) als Kernaussage ihrer wöchentlichen Pressekonferenz am Donnerstag verbreiten ließ: „Zum tausendsten Mal: Russland mischt sich nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten ein.“ In der Nachbarschaft Russlands weiß man: Was ein „anderer Staat“ ist, darüber hat der Kreml so seine eigenen, von international anerkannten Grenzen abweichenden Ansichten, wie auf der Krim und in der Ost-Urkraine zu besichtigen ist.

Einen Tag vor Sacharowas Erklärung erinnerte der litauische Außenminister Linas Linkevicius nicht ohne Grund an den Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes: „Der Nazi-Sowjet-Pakt vor 78 Jahren erinnert uns noch immer an die Geister der Vergangenheit und echte Herausforderungen heute. Keine Molotows und Ribbentrops mehr“, schrieb Linkevicius bei Twitter (siehe goo.gl/z6oo1v). Hätte er mal gleich bei Marija Sacharowa angerufen. Die hätte ihm erklären können, dass allein die Polen schuld waren, dass Stalin zu einem Abkommen mit Hitler gezwungen war.

Äh… wie bitte? Als Replik auf die zutreffende Bemerkung des polnischen Außenministers Witold Waszczykowski, Sowjetrussland habe signifikant zur Ermöglichung des Zweiten Weltkriegs beigetragen, der am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begann, entgegnete Sacharowa am 17. August: nö. Vielmehr habe Polen in den 30er Jahren zweimal eine französische Initiative für ein östliches Bündnis zurückgewiesen.

Das habe schließlich zum Münchner Abkommen von 1938 geführt, bei dem Polen sich ein Stück der damaligen Tschechoslowakei einverleibte (siehe auf Deutsch hier: goo.gl/tH6HdB). „Und jetzt versucht man“, so Sacharowa , „unsere Bemühungen darum, den Konflikt zu vermeiden oder wenigstens seinen Ausbruch zu verzögern, als Beweis für unsere Beteiligung an der Umsetzung der aggressiven Pläne des Hitler-Deutschlands darzustellen.“ Ja, als was denn wohl sonst?