Digitale Verunsicherung Wenn die Autokorrektur das letzte Wort behält

Das war nicht so gemeint! Doch das Autocomplete des Handys behält das Sagen. Da werden Wortanfänge nach Lust und Laune ergänzt und Begriffe nach Gusto des Systems durch andere ersetzt.

Digitale Verunsicherung: Wenn die Autokorrektur das letzte Wort behält
Foto: Sergej Lepke

Das Resultat: Für nichts müssen Smartphone-Nutzer so oft um Entschuldigung bitten, wie für die Fehler der automatischen Korrektur. Und manche versandte Nachricht wird im wahllosen Wust der Wörter unverständlich. Die Sprachverwirrung findet am Display statt.

Gleichgültig, ob der Empfänger per SMS, Messenger oder Mail adressiert wird, ob Facebook Postings oder Twitter-Tweets abgesetzt werden, die Autokorrektur schaltet sich mobil ein und schreibt, was sie will. Sie verhunzt Eigennamen, deutscht Fremdwörter ein und verändert beliebig ganze Zusammenhänge. Von Verständnis keine Spur. Da wird aus „Freund“ „Feind“, nicht nur bei der Verschlimmbesserung im Schreibfeld, sondern ganz real, wenn der Empfänger weder Spaß noch Text versteht.

Sicher ließe sich jede Nachricht vor dem Versand noch einmal lesen. Doch wer rasch unterwegs mit Daumen oder Zeigefinger auf dem Bildschirm schreibt, verlässt sich auf die Funktion, die seine schriftlichen Gedanken komplettiert. Ansonsten ließe sich die Autokorrektur ja auch ausschalten und ohne trügerische Hilfe tippen. Da sei das Phlegma der Autoren vor, denen nicht so wichtig ist, was sie schreiben, sondern dass sie schreiben. Wer schreibt, der bleibt, zumindest im Netz der Kommunikation. Spiel, Satz und Sieg im Match der angeschnittenen Dialoge. Hauptsache man verliert keinen Wortwechsel. Ein Wort ergibt das andere und tropft — im Satz ersetzt — hinter die Barriere der Verständlichkeit.

Komplettiert und kompromittiert werden wir auf Dauer fügsam. Die Korrektur der Korrektur ermüdet. Nicht wir trainieren lückenhafte Wörterbücher, sondern sie trainieren uns. Ihr begrenzter Sprachschatz, der im vorgegebenen Rahmen die Ersetzung findet, vereinheitlicht unsere Konversation. Routiniert vermeiden wir Begrifflichkeiten aus dem kreativen Sprachschatz, verwenden stattdessen bequem den restringierten Code der Software: Was das Gerät nicht versteht, bleibt ungesagt. Der Rest ist Schweigen.