„Ich hatte mehr Natur als genug“

Der neue Schauspielhaus-Chef Staffan Holm entdeckt Düsseldorf. Ein Spaziergang.

Düsseldorf. „Ich suche eine Wohnung. Bolkerstraße, Erdgeschoss.“ Staffan Holm blickt dem Makler ins Gesicht und schmunzelt. „War nur ein Scherz.“ Im formellen Schweden musste er als Chef des königlichen Dramaten-Theaters Carl Gustaf und Silvia zu jeder Premiere persönlich begrüßen und kam nicht umhin, den Majestäten an manchem Abend im Frack Rede und Antwort stehen. „In Stockholm ist der Nobelpreis-Mittag 365 Tage im Jahr spürbar.“

Für Holms Geschmack sind das etwas zu viele historisierende Momente auf einmal. „Ich bin froh, dass ich nach den Monarchien Dänemark und Schweden jetzt in einer Republik arbeiten werde.“

Um wie viel humorvoller und freier es dort genau zugeht, wird der designierte Intendant des Schauspielhauses und Shakespeare-Liebhaber in den nächsten sechs Jahren ergründen. Im Sommer tritt er seine Stelle am Gustaf-Gründgens-Platz an, am 1. Mai bezieht er seine Wohnung in Unterbilk, gleich um die Ecke der Bilker Arcaden. „Dort ist es schön lebendig.“

Staffan Holm ist noch dabei, anzukommen. Sein zukünftiges Wohnquartier hat der 53-Jährige ebenso zu Fuß erkundet wie andere Viertel Düsseldorfs. Ausgangspunkt für die Stadtwanderungen ist das Schauspielhaus oder das Interimsbüro Auf’m Hennekamp. Von dort läuft er bis zu seinem Hotel im Hofgarten, nach Derendorf, in den Medienhafen und manchmal weiter bis nach Hamm. „Ich will mich selbst investieren, als Detektiv und Untersucher von Düsseldorf.“

Wir treffen Staffan Holm am Schauspielhaus und gehen durch den Hofgarten in Richtung Goethe-Museum. Die frische Luft hilft dem Theaterchef beim Nachdenken. Wenn er abschalten will, fährt er in sein Haus an die Ostsee. Da ist Rückzug. Düsseldorf ist Stadt. Da ist Arbeit. Für seinen Alltag braucht der von imposanten Landschaften verwöhnte Schwede die Natur nicht. Nicht mehr. „Ich hatte so viel davon.“

Die Bar Olio am Güterbahnhof Derendorf ist unser Ziel. Ein Katzensprung für einen wie Holm. „Ich habe immer ein Ziel. Um mich treiben zu lassen, fehlt mir momentan die Zeit.“ In der nächsten Woche beginnen die Proben für seine letzte Inszenierung in Kopenhagen. Auch die erste Sitzung mit dem neuen Schauspielhaus-Ensemble hat bereits stattgefunden. „Es war eine Stimmung voller Neugier. Die Katastrophen kommen noch.“

Acht Neuproduktionen in zehn Tagen hat er sich für seinen Start in Düsseldorf vorgenommen. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht überproduzieren. Sonst verliert man den Fokus für die einzelne Inszenierung, wenn man etwas aufbauen will.“ Für das Publikum will Holm arbeiten, nicht für die Kritik. „Mich interessiert die Frage: Wo braucht man Kultur, wo gibt es eine Leerstelle?“

Die größte befindet sich zurzeit in seiner neuen Wohnung. „Es gibt noch keine Küche. Es ist ein Alptraum.“ Holms Frau kocht nie, er ständig. Seit 30 Jahren. „Ich bin bestimmt der beste Amateurkoch Skandinaviens.“ Bevor er in Düsseldorf zusagte, studierte er die Restaurantführer. „37 Sterne in einem Umkreis von 50 Kilometern waren ein schlagendes Argument.“ Genauso wie die dramaturgische Umgebung mit Städten wie Bochum und Wuppertal. „Es ist eine riesige urbane Konzentration, und ich sehe viele Möglichkeiten und Herausforderungen.“

Und er sieht Fehleinschätzungen. „Es stimmt nicht, dass in Düsseldorf wenig ins Theater gegangen wird. Die Stadt hat fast 600.000 Einwohner und im vergangenen Jahr im Schauspielhaus 210.000 Besucher.“ Köln mit einer Million Einwohnern habe hingegen nur 170.000 Theaterbesucher registriert. „Das ist doch verrückt: In Köln geht man nicht ins Theater, glaubt aber, dass man es tut. In Düsseldorf geht man ins Theater, weiß aber nichts davon.“

Holm blickt auf die Uhr. Gleich muss er los. Er ist in einer Viertelstunde an der Sternstraße verabredet. Es sind nur wenige Meter von der Bar Olio zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. „Ach nein, ich laufe.“