Philipp Grimm - mal wild, mal zart, aber nie mit Allüren
Philipp Grimm ist 25 Jahre alt und Schauspieler. Auf dem Weg dorthin spielte er, wo und was er konnte.
Düsseldorf. Es ist 10 Uhr. Morgenvorstellung von "Demian" im Jungen Schauspielhaus an der Münsterstraße. Als der Figur des Emil Sinclair erstmals die Hose runtergerissen wird, herrscht Aufregung unter den Schülern im Alter von 14plus. Als Emil gar seinen Freund Demian küsst, steigert sich der Lärm zum Tohuwabohu. Danach verlassen einige Schüler in pubertärem Überschwang immer mal wieder kurzzeitig den Saal, bis die Schauspieler die Vorstellung mit einem Ordnungsruf unterbrechen - erst dann kehren Ruhe und Konzentration ein.
Kinder- und Jugendtheater ist kein Zuckerschlecken, das musste auch Philipp Grimm erfahren, der den Emil Sinclair spielt. Der 25-Jährige ist seit März am Jungen Schauspielhaus engagiert und gleich mit der Hauptrolle in der Inszenierung von Hesses "Demian" eingestiegen.
Eigentlich war Kinder- und Jugendtheater nicht seine Präferenz, als er 2008 die Schauspielschule verließ. Der Berufsstart verlief holprig, er übernahm Gastrollen an Theatern. Das Vorsprechen in Düsseldorf beeindruckte ihn dann, vor allem dank der "sehr familiären und intensiven" Arbeitsprobe mit "Demian"-Regisseurin Daniela Löffner. Doch zunächst erhielt er eine Absage, neun Monate später kam dann ein neuer Anruf von Stefan Fischer-Fels, das Engagement war perfekt.
Mit Philipp Grimm hat das Haus einen Glücksgriff getan. Wie er die innere Zerrissenheit Emils in Hesses Coming-of-age-Geschichte spielt, ist beeindruckend. Behutsam lässt er in der Figur die Distanz zum Elternhaus wachsen, zeigt die Ängste angesichts der Gewalt Kromers sowie die schamhafte Zuneigung zu Demian. Aber er kann einen Moment später auch wild und ausgelassen über die Bühne toben oder sich protzig in die Brust werfen.
Philipp Grimm lässt viele emotionale Seiten anklingen, die man in der Begegnung so erst einmal nicht vermutet. Er ist von erfrischender Offenheit, erzählt ohne Allüren, wie er für die Rolle in seiner Pubertätsgeschichte gekramt hat. Manches im Stück erinnerte ihn an seine Jugend, vieles nicht. Er sei viel lieber als Emil gewesen, sagt er, und der Lebenssinn hätte ihn als Teenager auch kaum interessiert.
Aufgewachsen ist Philipp Grimm in 300-Seelen-Kaff Seidenroth zwischen Frankfurt und Fulda. "Richtig krass Dorf", sagt er. Seine Mutter arbeitet als Krankenschwester, der Vater als Chordirigent, sie leben getrennt. Mit zwölf entdeckte Philipp Grimm die Lust an der Schauspielerei; mit 14 und dem Bühnendebüt als König Drosselbart fiel der Entschluss: "Für mich gab es keine Alternative".
Philipp Grimm spielte, wo und was er konnte. Mit Mühe trotzten ihm die Eltern noch das Abitur ab. Es ist diese Entschlossenheit gepaart mit einer fast unverstellten Offenheit, die eine merkwürdige Reibung in seinen Figuren hinterlässt. Die einer durchschießenden energischen Kraft, deren Ziel derzeit noch unbestimmt ist.
Zurzeit probt Philipp Grimm bereits seine nächste Rolle, den lebensuntüchtiger Intelligenzbolzen Oskar in "Rico, Oskar und die Tieferschatten" nach dem Buch von Andreas Steinhöfel. Im September ist Premiere.