Sankt Lambertus - Ein Wahrzeichen mit schiefem Turm

Über dem Kirchenschiff von Sankt Lambertus versteckt sich eine ganz eigene Welt — die der Glocken und Kirchenuhren.

Düsseldorf. Die Türe zur Sakristei der Kirche Sankt Lambertus fällt kaum auf, verborgen liegt sie, verschmilzt nahezu mit der Wand. Christian Deters heißt der Mann, der den Schlüssel zu ihr besitzt, der einen Großteil seiner Arbeitszeit hinter ihr verbringt. Er ist der Küster von Sankt Lambertus, Küster der Kirche mit dem schiefen Turm, einem der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt.

Und es gibt nicht nur die Türe zur Sakristei, in dem kleinen Raum selbst gibt es wiederum eine kleine verborgene Holztüre, voll besetzt mit Schnörkeleien. Wer sie öffnet, gelangt in einen schmalen Turm mit abgetretenen steinernen Stufen. Wie viele es sind? Christian Deters hat sie nie gezählt — zu viele seien es, sagt er. Er geht hinauf, an kleinen schmalen Fenstern vorbei, die auf den ersten Blick wie Schießscharten einer mittelalterlichen Burg wirken. Kein Ende scheint die Treppe nehmen zu wollen, doch nach einiger Zeit des Aufstieges endet sie abrupt. Deters hält vor einer schlichten und augenscheinlich alten Türe, öffnet sie, steht in einem finsteren Raum. Er muss etwas suchen, bis er den Lichtschalter findet, es surrt und eine Glühlampe spendet schließlich spärliches Licht.

Sankt Lambertus - Über den Dächern von Düsseldorf
18 Bilder

Sankt Lambertus - Über den Dächern von Düsseldorf

18 Bilder

Es ist ein Raum, der vollkommen aus Holz besteht, einfache Paneele bilden in der Mitte einen kleinen Gang, um sie herum stehen hölzerne Geländer, in einer Ecke steht ein mit Staub bedeckter Stuhl. „Früher ging hier ein Seil mitten durch den Raum, das von der Sakristei zu den Glocken führte“, sagt Deters — denn vor gut 100 Jahren muste das Glockengeläut noch per Hand erzeugt werden. Das Loch im Boden, durch das das Seil einst gezogen war, existiert noch heute.

Eine rote und niedrige Tür führt zwischen zwei Giebel des Kirchendaches — wer nach oben schaut, erblickt auf einem der Giebel eine kleine Glocke. „Diese ist ein Relikt aus alten Zeiten“, sagt Christian Deters. Nur noch selten werde diese Glocke geläutet, zu unterschiedlich sei ihr Klang im Vergleich zu denen der großen Hauptglocken — und zu genau denen führt Deters’ Weg. Er tritt durch einen hölzernen Türrahmen ohne Tür und steht in einem gewölbeartigen Raum, auch hier gibt es Geländer aus Holz, die die Wege aufzeigen. „Wir befinden uns hier genau über dem Mittelgang der Kirche“, erklärt Deters und geht weiter, immer auf den Holzpaneelen entlang, genau über dem Kirchenschiff von St. Lambertus. Kleine Luken bilden die Fenster in den geneigten Dachflächen der Kirche, spärliche Lichtstrahlen fallen in den Raum.

Bis zu einem Durchgang in der Wand des Gewölbes über der Kirche geht Christian Deters, landet schließlich in einem Raum mit viereckigem Grundriss — im Glockenturm von St. Lambertus. Es ist ein Ticken zu hören, aus einem eckigen Schrank in der Mitte des Raumes stammt es. Es ist das Getriebe der Turmuhren, lange Stahlseile gehen vom Schrank aus nach oben, führen in den Turm, zu den Glocken und noch viel höher, beinahe unters Dach zu den drei Uhren am Turm.

Foto: Judith Michaelis

An die Wände des Turmes schmiegt sich eine steinerne Treppe, führt nach oben, immer entlang auf dem Weg der Seile. Bücken muss er sich, als ein Dachbalken ein paar der Treppenstufen versperrt, regelrecht unter ihm hindurchkriechen. Eine hölzerne Luke öffnet er, muss sie festhalten, damit sie nicht gleich wieder nach unten klappt. Fast stößt der Küster mit dem Kopf an eine Glocke — denn hier hängen sie auf zwei Etagen verteilt, die Prachtstücke des heiligen Ortes. Sieben an der Zahl hängen hier oben, sie tragen die Namen von Schutzheiligen. St. Lambertus heißt die größte von ihnen, St. Apollinaris die zweitgrößte.

Neben den Glocken, in einer Ecke des Raumes, führt eine weitere hölzerne, aber deutlich schmalere und steilere Treppe weiter nach oben gen Turmspitze. Als Deters die hinaufsteigt, verlässt er gleichzeitig die letzte Steinebene des Turmes — von nun an befindet sich der Küster im Dachstuhl. Und der ist ganz aus Holz.

Es wird schmaler im Turm, es ist zu spüren, das dieser spitz nach oben hin zuläuft. Staub liegt auf dem Boden, viele lange Balken durchziehen den kleinen Raum. Sie sind aus Holz — und aus Stahl. Die Stahlstangen enden jeweils an den vier kleinen Erkern im Turm, enden vor den Fenstern. Fahnenstangen sind es, sie können bei besonderen Ereignissen herausgefahren werden. „Das ist vor allem bei der Rheinkirmes im Sommer, Fronleichnam oder am Gedenktag des St. Lambertus der Fall“, sagt Deters.

Und noch ist er nicht an der Spitze des Turmes angekommen, weitere kleine Holztreppen führen nach oben, immer schmaler werden die Etagenböden, immer dunkler wird es, immer staubiger, immer unscheinbarer. Auf einer Etage steht ein verlassener Holzstuhl herum. Wer zuletzt auf ihm gesessen hat? Keiner weiß es.

Ganz an der Spitze angelangt bleibt kaum noch Raum sich zu bewegen. Vier kleine Fenster gibt es hier an jeder Seite, verschlossen sind sie durch rote Fensterläden. Weit reicht der Blick über Düsseldorf von hier oben, vom Aussichtspunkt 70 Meter über der Stadt.

Eine Frage, die Christian Deters schon so oft beantwortet hat wie keine andere ist die nach dem schiefen Turm. Es ist nicht der erste Turm der Kirche, der heute zu sehen ist, im Krieg wurde er getroffen, zerstört. „Beim Wiederaufbau wurde zu frisches Holz verwendet, das verzog sich mit der Zeit. Doch der alleinige Grund des schiefen Turmes ist das noch nicht. „Hinzu kam der Wunsch der Bauherren nach einer neuen Verzierung de Turmes und die Idee der Krone ward geboren.“ Dass diese das Gewicht des Dachkonstruktes nochmal um einiges erhöhte, wurde damals nicht so recht bedacht — das frische Holz neigte sich mit der Zeit, wurde vom Gewicht nach unten gezogen. Der Turm wurde schief.