Wie ein Adelstitel für den Hobbybauern
WZ-Autor Matthias Rech berichtet vom Mietacker in Niederkassel
Düsseldorf. Es war dieser eine Satz. Er wog mehr als jeder Orden aus noch so glänzendem Metall und strahlte schöner als die Zahnarztfrau aus der Fernsehwerbung. Es hatte einige Mühe gekostet, bis ich diesen Satz hörte, aber es hatte sich schließlich gelohnt.
Doch von vorne: Die vergangenen Wochen auf dem Acker kann man dank des Wetters mit einem einzigen Wort überschreiben: schleppen. Zuerst hieß es, etliche Gieskannen mit Wasser vom Brunnen zu unserer Scholle zu tragen. Wir wünschten uns, wie Goethes Zauberlehrling zu seinem Besen, zu unserem Schuffler sagen zu können: „Walle! Walle! Manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße.“
Nach dem Bade unseres Gemüses ging es uns tatsächlich wie dem armen, gernegroßen Zauberlehrling, der seine Wasserträger nicht mehr stoppen kann. Nur dass wir nicht mit Wasser, sondern mit Gemüse überschwemmt werden. Woche für Woche.
„Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los“, hatte Goethe geschrieben und auch bei uns Großstadtbauern stellt sich dieses Gefühl langsam ein. Bohnen, Erbsen, Zwiebeln Porree, Mangold, Weißkohl, Spitzkohl, Rucola, die ersten Kartoffeln, Gurken, Rote Bete und vor allem die unermüdlich produzierenden Zucchini stellen uns vor logistische Probleme. Was machen wir mit dem vielen Gemüse? Nun, zwar könnte man aus manchen Zucchini auch Wasserski für Kinder schnitzen, aber wir halten uns doch eher an den von der Natur vorgegebenen Verwendungszweck: essen.
Allerdings steht dafür nach jedem Ackerbesuch eine zwei- bis dreistündige Verarbeitungs-Session in der Küche an. Es wird blanchiert und eingefroren, in die alten Einweckgläser der Großtante umgefüllt und eingekocht, eingelagert und eben gleich zubereitet. So wie jetzt die Rote Bete. Beta vulgaris subsp. rapacea var. Conditiva, so ihr lateinischer Name, ist ein Rübchen, an dem sich die Geister scheiden. Auch bei der kindlichen Entwicklung vom Gemüse-Verweigerer zum Alles-Probierer bleibt sie oft auf der Strecke. Es gibt Liebhaber und Hasser. Dazwischen nichts.
Ich hatte mich für das uralte Rezept „Rote Rübe pikant“ entschieden, nicht zuletzt, weil man es im Kühlschrank lange aufbewahren, kalt und warm genießen und als Katerfrühstück nutzen kann. Diese kleinen roten Knollen können wirklich einiges: Sie enthalten viel Vitamin-B, Kalium, Eisen und vor allem Folsäure. Sie wirken blutdrucksenkend und leistungsfördernd. Doping aus der Erde. Nur die Urinprobe bei der Dopingkontrolle würde kein Bete-gedopter Sprinter überstehen.
Die Färbung ist verräterisch. Ich sah schon bei der Zubereitung aus wie eine nordafrikanische Braut mit roten, Henna-geschmückten Händen. Zwar hat diese Tradition mit Gemüse so viel zu tun wie US-Geheimdienste mit Datenschutz. Aber Rote Bete färbt eben stark — rot. Zwiebeln, Lorbeer, Essig, Zucker und Salz dazu — kurz aufkochen und fertig.
Dazu gab es Kartoffeln vom Acker, frischen Krautsalat vom Acker und Besuch von meiner Mutter. Und dann fiel dieser Satz, der sich wie ein kaiserlicher Orden „Pour le Merite“ an meine Kochschürze heftete. Der mich adelte und meine Kochbemühungen von „stets bemüht“ auf den Status „anerkannt“ katapultierte. Sie sagte, so ganz nebenbei: „Das schmeckt so gut wie früher bei meiner Mutter.“