Ausbrecherkönig Günter Josten, „dä Jünn“ – sitzt länger im Knast als viele Mörder
Alte Freunde haben Günter Josten, den einstigen „Prinzen der Krefelder Halb- und Unterwelt“, nicht vergessen.
Günter Josten, der einstige Ausbrecherkönig von Krefeld, sitzt seit 19 Jahren hinter Gittern. Er beschäftigt jetzt das Verfassungsgericht.
Nein, was haben damals alle gelacht. Die Polizei umstellt das Hochhaus Königshof. Sie hat den "Ausbrecherkönig", den "Prinzen der Krefelder Halb- und Unterwelt", im Wohnturm ausgemacht. Mit angehaltenem Atem verfolgen zahlreiche Schaulustige, wie Günter Josten (36) von seinem Apartment im 13. Stock auf den Balkon im Zwölften springt.
Die Fahnder durchsuchen alle 170 Wohnungen, setzen Spürhunde ein. Doch den Sunnyboy ("dä Jünn"), der sich unter mehreren Kitteln in einem fremden Kleiderschrank versteckt hat, finden sie nicht. Das war am 6.August 1975.
Was ist aus "dä Jünn", aufgewachsen an der Gladbacher Straße, geworden? Am 8. November 1989 schickte ihn die 2. große Strafkammer des Krefelder Landgerichts nach 13 Verhandlungstagen für zwölf Jahre hinter Gitter - mit anschließender Sicherungsverwahrung (SV), damals ein Novum für die Krefelder Justiz.Nicht einmal der Staatsanwalt hatte SV gefordert. Der damalige Verteidiger Walter Mendel hatte immerhin zehn Jahre für seinen Mandanten beantragt.
Das Verbrechen, das Günter Josten zum "chronisch Kriminellen" abstempelte: Er fuhr ein paar "Kumpels", darunter den früheren vierfachen Geiselnehmer Hans "Wörle" E. zur Sparkasse in Hüls, gerade nachdem er drei Wochen aus einer Untersuchungshaft in Ravensberg entlassen worden war.
Der Raub in Hüls wurde mit Waffengewalt durchgeführt. Doch damit wollte Josten nichts zu tun haben - er blieb im Wagen sitzen. Gewalttäter E. genießt heute freien Vollzug, Günter Josten sitzt weiter in Sicherungsverwahrung.
"Schon am ersten Verhandlungstag war klar, dass an Josten ein Exempel statuiert werden sollte", sagt sein damaliger Verteidiger heute. "Im Knast hat der ,Jünn’ nie eine Chance bekommen". Mendel: "Drei Landgerichte haben in den vergangenen zehn Jahren die vorzeitige Entlassung auf Bewährung mit der Begründung abgelehnt, dass sich Josten nicht bewährt hat."
Als er in Aachen an einem Computer-Lehrgang teilnehmen wollte, wurde ihm dies mit der Begründung verweigert, er würde die Kursleiterin nur dazu bringen, ihm Drogen in den Knast zu schmuggeln.
Ein wenig hat sich Josten diese an sich abstruse Begründung selbst zuzuschreiben: Ende 1999, vor Beginn der Sicherungsverwahrung, wurde er vom Amtsgericht Euskirchen zu zwei Jahren nachverurteilt, weil er nach Ausflügen in Polizeibegleitung siebenmal Cannabis in die Haftanstalt Rheinberg geschmuggelt oder von Besuchern angenommen hatte - und einen Teil davon an Mitgefangene verschenkte.
Wie das Landgericht Aachen im März dieses Jahres feststellte, ist Josten aber auch einem "Zinker" aufgesessen. Nach einem anonymen Hinweis an den Anstaltsleiter, der Krefelder sei Hintermann eines Deals mit 80 Gramm Haschisch, wurde Josten 2006 in die Vollzugsanstalt Werl verschoben.
Das Gericht sah die Maßregelung als ungerechtfertigt an, Josten sei bei Drogenscreenings in den letzten Jahren stets "clean" gewesen. Seit ein paar Tagen sitzt er wieder in Aachen, näher dran an Schwester Erika und den Freunden aus Krefeld. Denn die gibt es noch.
Etwa Fritz Brauweiler, den Bundesliga-Handballer aus den 60ern, der 38 Jahre lang eine Kneipe an der Oppumer Straße mit Thekenmannschaft hatte, in der auch Josten kickte. Wie auf dem Sprödental-Sportplatz gegen den heutigen CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel, Anfang der 70er Jahre Verteidiger in einer Altherren-Mannschaft.
"Ich hab dem Josten in die Knochen getreten, aber der hat das sportlich gesehen. Hätte er mir eine runtergehauen, wäre ich nicht mehr aufgestanden." Rechtsanwalt Fabel vermisst im Fall Josten die Verhältnismäßigkeit: "Kinderschänder oder RAF-Terroristen kommen vorzeitig aus dem Knast. Josten hat niemals Waffen eingesetzt, nur seine Fäuste. Er ist Dieb und Einbrecher, mehr nicht."
Peter Porten ist einer von denen, die Josten regelmäßig im Knast besuchen, Geld sammeln für den SVler, damit er sich Toilettenartikel und Textilien kaufen kann. Porten hat sich über die Justiz schon mehrfach gewundert: "Wir haben uns mit Josten am Bahnhof in Dortmund getroffen.
Die beiden Beamten der Werler Anstalt lasteten es Josten an, dass er mit dem Fahrkarten-Automaten der Bahn nicht klar kam und sich zum Mittagessen ein Bier bestellte."
Eigentlich sollen Sicherungsverwahrte alle zwei Jahre begutachtet werden. Doch Josten musste zuletzt drei Jahre warten. Porten: "Und die Gutachterin findet es wichtig, festzustellen, dass der Mann daher kommt wie ein Geschäftsmann und nach Parfüm duftet."
Manfred Schott, ein weiterer alter Bekannter Jostens, bezeichnet die Gutachten als "Kaffeesatzleserei". "Die Strafvollstreckungskammern bedienen sich der Gutachter, deren Beurteilungsmechanismen sie kennen."
Günter Josten wird am 7. Januar 2009 70 Jahre alt. Vielleicht hat bis dahin das Bundesverfassungsgericht über die Beschwerde des derzeitigen Josten-Anwalts Wolfgang Weckmüller (Essen) entschieden. Sonst sitzt er noch bis 2012 - mindestens. Länger als viele Mörder.