Der Retter der Straßenbahnen

Mathias Diercks will in Krefeld ein Paradies für Bahn-Fans schaffen. Jetzt hat er einen zweiten Triebwagen bekommen.

Krefeld. Wer Eisenbahnen liebt, stellt sich vielleicht eine Miniaturlok ins Regal oder hat auf dem Dachboden eine elektrische Eisenbahn. Nicht so Mathias Diercks, Vorsitzender der "Interessengemeinschaft Großraumwagen". Der Verein sammelt Straßenbahnen - und zwar echte. Jetzt hat er sich einen Triebwagen von 1928 angeschafft. Der so genannte Tw 1196 steht neben Diercks "Schätzchen", dem Großraumwagen Tw 303 von 1953, auf einem Abstellgleis des Bahnbetriebswerks Krefeld.

Geht es nach dem Verein, entsteht hier ein kleines Straßenbahner-Paradies. Es soll Partys in dem Wagen geben, regelmäßige Events sollen stattfinden, vom Diavortrag bis zum Glühweinabend. Und die Wagen sollen so fahrtüchtig sein, dass sie auf dem Abstellgleis ein paar Meter fahren können.

Doch das ist Zukunftsmusik. Der Tw 303 ist noch nicht fahrtüchtig. Dabei hat der Verein schon geschätzte 10 000 Euro an Material und Arbeitskraft, insgesamt etwa 500 Arbeitsstunden, in die Bahn gesteckt.

Der neu errungene Tw 1196 ist in einem etwas besseren Zustand. "Etwa 120 bis 130 Stunden Arbeit", schätzt Diercks mit einer gehörigen Portion Straßenbahner-Optimismus. Denn der Triebwagen hat seine besten Zeiten weit hinter sich. Die Uerdinger Waggonfabrik baute ihn 1927 für die Stadt Duisburg. Dort fuhr er bis in die 70er-Jahre. Er wurde "Uerdinger Stahlwagen" genannt, weil er komplett aus Stahl, und nicht wie bis dahin aus Holz, gefertigt wurde.

Seitdem fristete der Straßenbahner-Traum sein Dasein als Dekoration an einer Kneipe in Duisburg-Rummeln. Die Sonnenmarkise, die Königs-Pilsener-Werbung und ein Stehtisch im Innern zeugen von der Zweckentfremdung. Dann schenkte der Kneipenwirt der IG Großraumwagen die Bahn.

Und Mathias Diercks setzte sie wieder auf die Schiene. 1000 Euro zahlte er für den Tieflader-Transport nach Krefeld - Straßenbahnfan sein ist kein billiges Hobby. "Das sind mir die Wagen wert", sagt Diercks. "Wenn wir uns nicht um sie kümmern, gibt es sie irgendwann nicht mehr."

Die Liebe zu den Straßenbahnen muss irgendwann in seiner Kindheit entstanden sein. "Ich bin sehr viel Bahn gefahren. Wenn ich die Wagen sehe, erinnere ich mich wieder daran. Das ist ein schönes Gefühl."

Beim Betreten des Tw 1196 werden tatsächlich Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wach. Auf Schildern steht in altdeutscher Schrift: "Bitte nicht mit dem Zugführer sprechen". Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Bahn über kopfsteingepflasterte Straßen im Ruhrgebiet fuhr.

Um das Bild des schönen historischen Wagens komplett zu machen, ist allerdings noch viel Arbeit nötig: Die Holzsitze wurden entfernt, ein Fenster fehlt, von der Decke hängt Tapete herab und der Boden ist zum Teil herausgerissen.

"Wir wollen ihn wieder so herstellen, wie er einmal war", sagt Diercks. Das ist gar nicht einfach: Es gibt noch drei Exemplare des nur für Duisburg gebauten Wagens. Die Straßenbahnfans müssen nach diesen Vorlagen den Originalzustand restaurieren. Die Seltenheit steigert aber den Wert. "Etwa 50 bis 60 000 Euro", schätzt Diercks.

Doch erst einmal kostet er den Verein Geld. Mit ehrenamtlicher Arbeit, Ein-Euro-Jobbern des Bahnbetriebswerks und Sponsoren will Diercks den Tw 1196 restaurieren. "Vielleicht können wir im Winter die ersten Events anbieten. Das wäre gut, damit der Verein wieder Geld reinholt. Auf Dauer wird das schon teuer."