Die Rückkehr des Strick-Kleides
Hella Klinkenberg hat amerikanischen Trend für sich entdeckt.
Krefeld. Es haftet ihm noch die Aura des Spießigen an. Wer heute an Stricken denkt, blickt vielleicht auf erste eigene Versuche in der Kindheit zurück, erinnert sich an die grauslichen Pullöverchen, mit denen die Oma freudestrahlend angerückt ist. Dabei erlebt die vermeintlich angestaubte Handarbeit in Amerika längst ein Revival. Und zwar nicht bei Hausmütterchen, sondern bei hippen Mitzwanzigern, die sich in eigens dafür eingerichteten New Yorker Cafés nicht nur über die neuen Trends und Designs austauschen. Sogar Stars wie Cameron Diaz und Russell Crowe sollen angesteckt sein.
Wer hierzulande zur Nadel greifen will, kann allerdings noch nicht so recht auf ein funktionierendes Netz zurückgreifen. Für Hella Klinkenberg kein großes Problem. "Ich bin mit Stricken groß geworden", erinnert sie sich. Denn ihre verstorbene Mutter kenne sie eigentlich nur strickend. Klar, dass die kleine Hella der Mutter über die Schulter geschaut und sich selber daran versucht hat. "In den 80er Jahren haben wir ja alle gestrickt, auch in der Schule, unter der Bank."
Wie bei allen anderen, ist das Interesse an der Handarbeit aber auch bei ihr eingeschlafen. "Bis ich es nach einer schweren Krankheit wiederentdeckt habe." Geholfen hat da auch ein Urlaub auf den Westmännerinseln von Island: Da habe sie sich mit Wolle eingedeckt und dann "sowas von gestrickt" - in der Bahn, im Café und am liebsten zu Hause auf dem Sofa nebst Kartäuserkatze Betty: "Mit einem spannenden Krimi im Fernsehen."
Die Ergebnisse haben schließlich nicht nur ihren eigenen Kleiderschrank bereichert. Denn die ungewöhnlichen Strick-Empire-Kleidchen und Arm-Stulpen, die die 45-Jährige seither trägt, erregten Aufmerksamkeit und zogen Anfragen von Freunden nach sich. So durchforstet Hella Klinkenberg zwar alle möglichen Vorlagen, die sie auftreiben kann, nach Ideen, die Modelle aber tragen schließlich immer ihre eigene Handschrift. "Am liebsten so ein bisschen romantisch - à la Herr der Ringe." Es finden sich aber auch das schlichte 60er-Jahre Kleid oder Rasta- und Deutschland-Mützen. Als neuestes Projekt plant die gelernte Erzieherin und Theaterpädagogin Klamotten im Grunge-Stil mit obligatorischem Totenkopf.
Dabei findet Klinkenberg auch noch Zeit, sich über die Geschichte des Strickens und Häkelns schlau zu machen. So weiß sie, in Amerika sei das Häkeln einst als billige Alternative zu der Spitzenherstellung aufgekommen. In Zeiten der Industrialisierung verdienten die Frauen mit der Heimarbeit aber so wenig Geld, dass sie noch eine andere Einnahmequelle nutzten. "Hooker ist daher auch eine Bezeichnung für Hure." Wenn das Cameron Diaz wüsste . . .