Geschichte einer Utopie: Wie Krefeld fast eine U-Bahn bekam
Ende der 1960er-Jahre wollten die Politiker eine unterirdische Bahn für die Innenstadt. Doch dazu kam es nie.
Krefeld. Die Meldung klingt verblüffend: Bereits vor einigen Monaten wurde in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, nahe der dortigen, längst geschlossenen Ostwall-Unterführung, ein längerer Tunnel entdeckt. Er war offensichtlich als U-Bahn-Tunnel für die K-Bahn gedacht, wurde aber niemals in Richtung Kreuzung Ostwall/Rheinstraße oder nördliches Stadtzentrum weiter geführt.
Es war aber keineswegs nur die mit anderer Spurbreite als die Krefelder Straßenbahnen fahrende K-Bahn, die unter die Erde gebracht werden sollte. Ende der 1960er-Jahre war es erklärter Wille der Stadtväter, dass alle Krefelder Straßenbahnen im Innenstadtbereich unterirdisch verlaufen sollten.
Das geht aus dem fünften Band der Krefelder Stadtgeschichte hervor, herausgegeben von Reinhard Feinendegen und Dr. Hans Vogt. Vogt selbst hat das Kapitel "Die Zeit der Reformen und der Entwicklung einer modernen Großstadt 1961-1980" geschrieben.
Diese Zeitspanne hat er selbst an entscheidenden Stellen in der Stadtverwaltung miterlebt und mitgeprägt. In seinem Artikel beschreibt er auch die Krefelder U-Bahn-Pläne.
Stürmische Bevölkerungsentwicklung, zunehmende Geschäftsverdichtung und exorbitant wachsender Straßenverkehr waren damals die Zeichen der Zeit. Bereits in den 1950er-Jahren wurden deshalb Überlegungen angestellt, wie man den Entwicklungen mit Mitteln der Stadtgestaltung begegnen könnte.
Da gab es zunächst mal die Idee, den Bus und Bahnverkehr aus dem Ostwall heraus zu nehmen und über eine östliche Trasse zu führen. Später schlug ein Verkehrsgutachten vor, die Krefelder Straßenbahnen in schneller Folge durch Busse zu ersetzen.
Dieser Empfehlung folgte der Stadtrat zunächst 1961, hob aber ein Jahr später seinen Beschluss wieder auf. Das Straßenbahnnetz wurde zu diesem Zeitpunkt ausgedünnt und auf vier Linien plus K-Bahn beschränkt, aber alle Linien (die nach Elfrath gab es da noch nicht) fuhren nach wie vor über den Ostwall.
Am 20. Mai 1968 beschloss der Stadtrat einen Planungsauftrag für eine unterirdische Endhaltestelle der K-Bahn im Bahnhofsbereich. Das Resultat ist jener nie fertig gewordene "Geistertunnel" am Hauptbahnhof, der in Richtung Dießem wieder an die Oberfläche kommen sollte.
Aber nicht nur die K-Bahn sollte unterirdisch rollen. Im Zuge der Landesplanung, wo die Wurzeln für die heute in den benachbarten Großstädten Köln, Bonn und Düsseldorf vorzufindenden U-Bahn-Trassen liegen, verdichtete und konkretisierte sich auch in Krefeld die Diskussion um "Stadtbahnen".
In der Innenstadt sollten die Krefelder Straßenbahnen zur U-Bahn werden, so lautete die vorherrschende Meinung.
Beauftragt wurde das Düsseldorfer Ingenieurbüro Schlegel/Dr. Spieckermann. Das Büro schlug eine Untertunnelung von Süden vor, ausgehend von den Krankenanstalten an der Kölner Straße und mit einer Weiterführung unter der Königstraße bis zur St.-Anton-Straße mit insgesamt drei unterirdischen Bahnhöfen. Später sollte der Tunnel dann auch noch in Richtung Hüls weitergebaut werden.
1975, vor 35 Jahren, wurde dieses Vorhaben beim Land zur Finanzierung angemeldet. Dort wurde es allerdings im Hinblick auf begrenzte Mittel und wegen der Konkurrenz zu den Vorhaben in anderen Großstädten als "nicht dringlich" eingestuft, damit auf "die lange Bank geschoben" und schließlich nicht realisiert.
Auch die Krefelder Bürgervereine und andere Gruppierungen sprachen angesichts von Kosten und zu erwartenden Bauzeiten bald von "Utopie". Und wenig später redete niemand mehr über Tunnel, U-Bahnen oder Stadtbahnen.