Hochschule: Senioren besetzen den Hörsaal
Das Interesse der Älteren am Programm „Faust“ ist seit 20 Jahren ungebrochen.
Krefeld. Zum Lernen ist niemand zu alt. Das haben Marlene Rheindorf-Toepper aus Krefeld und Reinhold Fester aus Mönchengladbach längst verinnerlicht. Die beiden 70-Jährigen sind regelmäßige Besucher der Hochschule Niederrhein (HN). Sie nehmen teil am „Faust“-Programm. „Faust“ steht „Für Alte und Studierende“, für Wissensdurstige in der nachberuflichen Zeit. Im August feiert „Faust“ den 20. Geburtstag.
Beide Senioren nehmen die geistige Herausforderung gerne an. Rheindorf-Toepper hat als Radiologie-Assistentin am Krankenhaus gearbeitet und schon früh von „Faust“ gehört. „Als ich mit 60 in Rente gegangen bin, habe ich mich sofort eingeschrieben. Ich wollte nicht auf meinem Wissensstand bleiben.“ So hat sie einen neuen Weg eingeschlagen.
Mit Chemie bei Professor Jürgen Schram ist sie eingestiegen. „Ich habe einfach die Hemmschwelle überschritten und mich getraut“, berichtet sie. Es sei schön, viele Gleichgesinnte an der HN zu treffen. „Das Studium ist mein Lebenstraum, den ich mir früher nicht erfüllen konnte.“ Seit einigen Jahren ist sie nun schon dabei und belegt immer andere Vorlesungen und Angebote. „Meine Neugier ist noch längst nicht befriedigt“, sagt sie. Zurzeit gehört ihre Liebe der Kunst.
Die beiden Senioren melden sich zu den Vorlesungen an, die sie interessieren, und setzen sich zu den jungen Leuten dazu. Die Senioren haben den Vorteil, aus Interesse und Spaß zu lernen, nicht aus Druck und Zukunftsängsten. Prüfungen gibt es für sie nicht.
„Beide Altersgruppen können dabei voneinander lernen, die jeweils andere Sichtweise kennenlernen“, erklärt Sigrid Verleysdonk-Simons, die an der HN im Fachbereich Sozialwesen tätig und für „Faust“ zuständig ist. „Wir verzeichnen jetzt 280 Studierende im Seniorenalter im Sommersemester. Im Winter sind es mehr.“ Seniorenstudium liegt im Trend. Zwei Drittel sind Frauen, die größte Gruppe bilden die 60- bis 70-Jährigen.
Reinhold Fester hat im Bereich der Licht- und Elektrotechnik gearbeitet. Nach dem Ausstieg ist er mit 66 zum Studierenden im Fachbereich Sozialwissenschaften geworden. „Hier interessiert mich vor allem die Kleinkindpädagogik.“ Er habe sich auch der Psychologie gewidmet, zumal er seit fünf Jahren ein psychisch krankes Ehepaar betreut.
Aktuell kümmert er sich mit jungen Kommilitonen in Mönchengladbach um das „Erzählcafé“. Fester: „Die Gruppe setzt Impulse, damit die Leute berichten“, erklärt er.
An der HN wird zusätzlich zu den üblichen Vorlesungen „Faust plus“ angeboten. Dabei geht es um eine ganze Reihe von Themen für Gasthörer, Studierende und externe Gäste, die teilweise auf die Senioren zugeschnitten sind. Beispiel: Vorträge über Demenz.