Importierte Ehemänner haben häufig Probleme

Eine Forscherin spricht mit 30 jungen türkischen Männern über ihr Leben in der neuen Heimat.

Krefeld. Wurden früher türkische Ehen — auch in Deutschland — nicht selten von den Eltern arrangiert, suchen sich die Frauen heute ihre bessere Hälfte selber aus. Sie überlassen das Zusammentreffen nicht etwa dem Zufall, sondern werden im Internet aktiv.

„Facebook ist auch in der Türkei sehr verbreitet, hier werden erste Kontakte mit heiratswilligen Männern geknüpft, die nach Deutschland kommen möchten“, berichtet Umut Bespinar. Sie lehrt an der Middle East Technical University in Ankara Soziologie.

Eigentlich sind Frauen im Spagat zwischen Tradition und Moderne ihr Thema. Jetzt gilt ihr Interesse den „importierten Ehemännern“. Umut Bespinar leitet in Krefeld zurzeit eine Feldstudie mit dem Titel „Migranten aus der Türkei in Europa: Strategien, Vaterschaft, Familie und Identitäten“. Dafür führt sie 30 Interviews mit Männern zwischen 20 und 35 Jahren, die einen der 16 Integrationskurse der Volkshochschule besuchen.

Dass die türkischen Männer selbst zu Wort kommen, ist neu. „Sie sind es nicht gewohnt, mit einer fremden Frau über persönliche Probleme zu reden“, erklärt Fazilet Yardimci.

Die pädagogische Mitarbeiterin der VHS ist zugleich die Tante von Umut Bespinar. Für ihre Nichte hat sie den Kontakt zu den Männern hergestellt, die für eine Familienzusammenführung nach Krefeld gekommen sind.

Keiner hat die Einladung zu dem Interview abgelehnt. Alle Angesprochenen berichten ehrlich über ihre Lage, ihre Ehe und das Leben in der neuen Heimat. Für viele sei es wie eine Psychotherapie, endlich über ihre Probleme reden zu dürfen.

Für die Männer sei die Heirat zwar ein „großes Glück“. Aber sie kennen die Sprache nicht, hätten keine oder nur eine schlechte Ausbildung, seien nicht erwerbstätig und verfügten über keinerlei soziale Kontakte.

„Die Frauen haben hingegen in beiden Kulturen ein Standbein. Sie leben modern, haben ihre Familien, sind sozial nicht isoliert und verdienen ihr eigenes Geld“, umreißt die Soziologin die Problematik. Die Männer wüssten nicht, welche Rolle sie in ihrer neuen Heimat einnehmen sollen.

Der Status „Hausfrau“ sei für einen türkischen Mann keine Alternative, sie fühlten sich in der neuen Beziehung nicht als „richtige Männer“. Ihr Rollenbild gerate ins Wanken. Paradoxerweise suchen sich die Frauen ihre Partner gerade wegen des traditionellen Hintergrunds aus.

Zum Teil haben sie eine frühe Heirat hinter sich und möchten die zweite Ehe innerhalb der türkischen Gemeinschaft bewusster eingehen. Dabei sehen sie keinen Widerspruch zwischen selbst bestimmtem Leben und der Orientierung an Traditionen.

Eine Tendenz zeichnet sich laut Umut Bespinar bei den Interviews schon ab: Nur wenige Männer bereuten den Schritt, viele sagten, ihr neues Leben sei härter als erwartet. Sie werten das als eine Phase, die vorüberginge und täten alles mit Blick auf bessere Zeiten.