Krefelds bester Tischlerlehrling kann sogar Vulkane bauen
Die Jahrgangsbeste Virginia Wedekind arbeitet in den Werkstätten des Theaters. Ihr Weg dorthin war kurvenreich.
Krefeld. „Ich gehe nie ins Theater“, sagt Virginia Wedekind. Das ist erstaunlich, denn seit drei Jahren sägt, bohrt und schraubt die 24-Jährige Kulissen für das Theater Krefeld und Mönchengladbach. Und das ausgesprochen erfolgreich: Jüngst hat die junge Frau ihre Ausbildung zur Tischlerin als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Ihr Gesellenstück, eine akribisch ausgearbeitete Küchenzeile aus Nussbaum und Eiche, ziert bereits ihr Zuhause in Duisburg.
„Von 25 Auszubildenden waren wir nur drei Frauen“, erzählt die gebürtige Düsseldorferin. Im Vergleich zum Fenster- oder Möbelbau habe sie das Theater als „ausgefallene, kreativ-künstlerische Ausbildungsstelle“ gereizt. „Obwohl wir hier natürlich auch nach Plänen arbeiten müssen, haben wir viele Freiräume und lernen früh, selbstständig zu arbeiten“, sagt Virginia Wedekind.
Der Weg zur Theaterwerkstatt verlief kurvenreich. Nach dem Abitur (Schnitt 1,6) absolvierte Wedekind ein sechsmonatiges Praktikum in einer Werft in Düsseldorf. „Eigentlich wollte ich Bootsbauerin werden.“
2008 zog sie nach Duisburg und begann dort in einem Baumarkt im Gartencenter zu arbeiten. Es folgte ein Medizinstudium in Bochum. „24 Stunden am Tag lernen - das war kein Leben mehr“, erinnert sie sich. Nach einem Semester bricht sie ab und fängt die Tischlerlehre an. „Die Stelle habe ich auf der Seite vom Arbeitsamt gesehen“, sagt Wedekind.
60 Bewerber lässt sie im schriftlichen und praktischen Einstellungstest locker hinter sich. „Aber Sympathie war das stärkste Argument, Virginia zu nehmen“, gesteht ihr Ausbilder Erik Mülländer. Er hat ihr das Know-how beigebracht und natürlich ist er stolz auf ihre Leistung. „Wir wählen generell gute Azubis aus“, weiß Werkstättenleiter Dirk Peltzer. „Auch unsere Bühnenmaler und Bühnenplastiker schneiden vor der Handwerkskammer gut ab.“
Insgesamt arbeiten 25 Leute in den 3000 Quadratmeter großen Werkstatthallen in Fischeln. Wie in einem eigenen Kosmos entstehen dort in Schlosserei, Schreinerei, Malersaal, Bühnenplastik und Dekoration rund 16 Produktionen jährlich. Die Werkstatt macht keine Theaterferien. Zurzeit werkeln alle für die Premieren der neuen Spielzeit.
In der Tischlerei stehen insgesamt 400 Quadratmeter an Wänden aus leichter Fichte oder Kiefer bereit. Zusammengesetzt ergibt das Puzzle einzelner Wände das Bühnenbild für die Verdi-Oper „Stiffelio“. Mit ihr eröffnet das Musiktheater Mönchengladbach die Spielzeit am 28. September. Die bis zu vier Meter hohen „Vulkane“ müssen noch mit Silberfolie beklebt werden. Ihre Krater dampfen auf dem diesjährigen Weihnachtsmärchen „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, das am 29. November in Mönchengladbach Premiere feiert.
Virginia Wedekind ist nur noch bis Ende August handwerklich und kreativ mit von der Partie. Laut Tarifvertrag müsste sie für ein Jahr übernommen werden, doch sie nutzt die Ausbildung nicht als Berufseinstieg und möchte auch nicht ihren Meister machen. Im Herbst zieht es sie an die Uni. „Ich möchte Politikwissenschaften studieren.“