Kutschen für die Herrschaften
Johannes Lichtenberg sammelt alte Gefährte. Diese sind im Gut Heyenbaum zu sehen.
Verberg. Johannes Lichtenberg war sich sofort sicher: Diese beiden abgewrackten Fahrzeuge, die hier im Hühnerstall standen, mussten etwas Besonderes sein. Es war Anfang der 80er Jahre, als der Kutschensammler aus Verberg bei der Witwe eines Düsseldorfer Kutschensammlers vor den traurigen Resten stand.
Aber mit dem geschulten Blick eines Kutschenprofis erkannte er dann an den Details des Untergestells, dass es sich um höfische Fortbewegungsmittel handeln musste. Als er zusätzlich noch erfuhr, dass sie einst aus einer Remise von Schloss Benrath kamen, war ihm klar, dass sie etwas mit dem Haus Hohenzollern zu tun haben müssten.
Doch auch an den noch existierenden Fahrzeugteilen war für ihn die hochherrschaftliche Herkunft unschwer zu erkennen. Die reichen Verzierungen am Untergestell, vor allem die in Form von Tierköpfen endenden Tragholme, aber auch die schönen Profile in den Metallarbeiten sprachen da eine deutliche Sprache.
Auch die Proportionen der Kutschen mit ihren hohen Kutschböcken zeigten, dass sie für ein vierspänniges Fahren konzipiert worden waren.
Für den Fachmann ist auch die Stoßbremse ein Indiz. Im Gegensatz zur sonst üblichen Kurbelbremse, bei der der Kutscher sich zur Seite - vom Kutschbock herunter - beugen musste, konnte der Fahrer mit dieser Bremsenart stets eine vornehm aufrechte Haltung bewahren. Kerzengerade sitzend musste er nur den Bremsknüppel nach vorne stoßen.
Für den 88-jährigen Kutschenliebhaber Johannes Lichtenberg ist damit klar, dass die beiden Fahrzeuge, die vermutlich um 1890/1900 von der Düsseldorfer Firma P. Scheurer & Co gebaut wurden, vornehmsten Herrschaften gehörten.
Die Spurensuche wurde noch einmal intensiviert, als sich 2007 die Museumsleiterin vom Schloss Sigmaringen bei den Lichtenbergs meldete, weil man ein Kutschenmuseum eröffnen wollte.
Die Verbindungen zwischen dem Niederrhein und dem Süden Deutschlands waren enger als gedacht. Wilhelm von Hohenzollern-Sigmaringen wurde 1864 auf Schloss Benrath geboren, das von 1815 bis 1911 in preußischem Besitz war.
Damit ist es nun sehr gut möglich, dass die katholische Verwandtschaft des deutschen Kaisers zum Ende des 19. Jahrhunderts mit einer der beiden Kutschen durch das Rheinland fuhr. Gab sich vielleicht sogar Seine Majestät Kaiser Wilhelm darin die Ehre?
Für Johannes Lichtenberg wäre das eine ganz besondere Freude, aber vor allem geht es ihm darum, Geschichte lebendig zu halten - auch wenn es viel Mühe und Geld kostete: "Ich stand mit dem Herzen und den Wünschen dahinter, das, was war, wieder komplett erhalten zu können".
Die Sammelleidenschaft, die sein Sohn Harald geerbt hat, führte dazu, dass es nicht nur Kutschen und Schlitten, sondern auch viel Zubehör - von Kutschermöbeln, Pferdeglocken, einer Reparaturwerkstatt bis zu Modellen und alten Bildern - im Gut Heyenbaum in Verberg zu sehen gibt.