Sprachgräben durchziehen die Stadt
Historie: Im letzten Band der Krefelder Stadtgeschichte wird erklärt, warum das Platt in Fischeln anders klingt als in Hüls.
Krefeld. "Hebbe oder han?" Das ist hier die Frage. Tiefe Gräben ziehen sich durch Krefeld. Sprachgräben. Wer in den 804 Seiten des fünften und letzten Bandes der Stadtgeschichte blättert, stößt auch auf die spannende Geschichte der Dialekte. Wer weiß schon, dass der landläufig "Krieewelsch" genannte Dialekt dem südniederfränkischen Sprachraum entstammt?
Dem gehören auch Uerdingen und Fischeln an, auch wenn dies dort bestritten werden sollte. Dieser Raum zieht sich von Heinsberg bis Solingen. Das Hülser Platt gehört dagegen dem kleverländischen Dialektgebiet an. Es wird nämlich durch die Uerdinger Linie vom südniederfränkischen getrennt.
Der Begriff Niederfränkisch erinnert an die fränkischen Stämme, die seit der Spätantike am Rhein siedelten. Die Dialektgruppe umfasst alle Mundarten zwischen der belgisch-niederländischen Küste im Nordwesten und der Linie Aachen-Düsseldorf im Südosten. Niederfränkisch, so konstatiert Autor und Dialektforscher Georg Cornelissen, "ist demnach die Bezeichnung für einen großen, zwei Staatsgrenzen übergreifenden Dialektraum, in dessen Südostecke Mönchengladbach, Krefeld und Düsseldorf liegen."
Südlich dieser Linie spricht die Wissenschaft vom ripuarischen Sprachraum. Der reicht bis zur Mosel und schließt auch das "Kölsch" mit ein. Anschaulich mit Beispielen weist der Autor nach, welch ripuarische Elemente sich im Laufe der Zeit ins Niederfränkische eingemogelt haben. (ech-esch/ich oder mech-mesch/mich).
Mit Hilfe des Wortes "Groß" zeichnet der Beitrag die innerstädtischen Sprachgrenzen nach. Während die Uerdinger von "jroot" sprechen, heißt es in Fischeln und Hüls "gruet" oder "jruet". Hüls sei eher dem Dialektraum St. Hubert und Kempen zuzuordnen als Krefeld, stellt der Autor weiter fest. Das eingangs erwähnte "han" ist eher in Fischeln beheimatet. Es ist ripuarischen Ursprungs, während Restkrefeld beim ursprünglichen "hebbe" blieb.
Der hochdeutsche Einfluss auf den Dialekt bildet einen weiteren Schwerpunkt in diesem Kapitel. Während im 19. Jahrhundert fast alle Krefelder den Dialekt beherrschten, sind es heute nur noch wenige. 1984 wurde in einer Untersuchung festgestellt, dass es in Krefeld keinen Dialektsprecher unter 25 Jahren mehr gibt. Heute müsse von einem "Regiolekt" gesprochen werden, von Hochdeutsch, das mit Spracheigentümlichkeiten durchsetzt sei (dat, wat, bissken).
Abschließend kommt der Autor zu der interessanten Feststellung: Wer schon einmal eine Aufführung der Mundartgruppe "Krieewelsche Pappköpp" gesehen habe, der werde neben echtem Platt auch der regionalen Umgangssprache Krefelder Prägung zugehört haben.