Nachtwächter-Führung: Ein Pranger für die Pfarrer

Die Begehungen sind sehr beliebt. Dabei kann Heinz-Peter Beurskens auch sehr streng sein.

Krefeld. Beliebt waren seine historischen Vorgänger nicht gerade. Ganz anders sieht das heute mit Heinz-Peter Beurskens, dem amtierenden Linner Nachtwächter, aus. Wenn er seine Rundgänge anbietet, ist das Gefolge groß — und das Publikum mucksmäuschenstill, um keine seiner Erläuterungen, Geschichten oder Anspielungen zu verpassen.

Ein eisiger Wind pfeift durch die engen Straßen aber die 37 Mitarbeiter der Pfarrgemeinde St. Nikolaus, die mit Pfarrer Christoph Zettner diese Zeitreise unternehmen, haben sich gut auf den Winterabend eingestellt.

Bevor man zum Stadtrundgang aufbricht, gibt es eine deftige Stärkung, bestehend aus Kartoffeln-Möhren-Durcheinander und Wurst. „Auf 275 mal 275 Metern wurde Linn erbaut und das müssen Sie alles erwandern! Also, erst mal stärken, dass keiner schlappmacht“, meint der fürsorgliche Nachtwächter bei der Vorbereitung im Café Konkurs.

Für den Pfarrer fängt der Abend erst einmal weniger erfreulich an, denn seit seinem letzten Besuch mit anderen Mitarbeitern habe er sich einiges zuschulden kommen lassen, erklärt Beurskens als Amtsperson.

Er habe die Fastenregeln nicht ernst genug genommen, nach dem letzten Rundgang die Hellebarde versteckt und außerdem haben die Glocken von St. Margaretha nach der Papstwahl nicht geläutet. Dafür seien zehn Minuten am Pranger im warmen Gastraum noch eine milde Strafe.

„Bis ins Jahr 1793 gab es keine Polizei“, so der moderne Nachtwächter, „da hatte der Nachtwächter nachts die Polizeigewalt. Er durfte auch verdächtige Gestalten ins Spritzenhaus der Feuerwehr stecken, das als Nachtgefängnis diente.“

Im frühen Mittelalter wurde der Nachtwächter vor allem als Brandwache eingesetzt. „Er musste singen, damit die Leute hörten, dass er auch wach war und seine Arbeit machte“. So wichtig sein Dienst sein konnte, so schlecht war der Ruf des Nachtwächters. „Das waren Leute, die für nichts anderes zu gebrauchen waren. Gerade einmal Singen und auf einer Tröte blasen, waren die Minimalanforderungen.“

Unbeliebt machte sich dieser Berufsstand auch durch seine Kontrollaufgaben. Der Nachtwächter sorgte für das Einhalten der Sperrstunden und prüfte nach, ob die Tanzveranstaltungen und Spiele-Abende auch vom Magistrat genehmigt worden waren.

Bis Anfang der 1920er Jahre tat in Linn ein Nachtwächter seinen Dienst. Für Beurskens ist sein neues Ehrenamt ein „Souvenir“ von einem Salzburg-Urlaub. Eine Grusel-Nachtwächter-Tour brachte ihn auf die Idee und den Geschmack, etwas Ähnliches auch in der Heimat durchzuführen.

Aus seinen Soloauftritten in den Straßen sind inzwischen kleine Schauspielführungen geworden, an denen sich auch einige Linner Bürger beteiligen, wie etwa ein verschlafener Polizist, der in Bademantel und Dienstmütze für Heiterkeit an der Gartenmauer sorgt.