Olympia-Pfarrer: Die Chinakarte ist schon eingepackt
Hans-Gerd Schütt bereitet seinen Einsatz im chinesischen Olympia-Dorf vor.
Krefeld. Nein, das Fahrrad ist in der Reparatur. Auf sein liebstes Sportgerät muss der Olympia-Pfarrer derzeit verzichten. Macht nichts: Zeit hätte Hans-Gerd Schütt jetzt ohnehin nicht zum Radeln. "Obwohl sich der Niederrhein bestens dazu eignet", sagt er.
Nun aber müssen erst einmal jene zwei Wochen im August vorbereitet werden, auf die die ganze Welt schauen wird. "Da ist vieles organisatorisch zu planen." Denn Katholik Schütt und sein evangelischer Kollege bieten im chinesischen Olympiadorf neben der Seelsorge auch ein spezielles geistliches Olympiaheft an, mit Bibeltexten, Denkanstößen etc. "Das hat schon Tradition", freut sich Schütt, dass Mannschaftsleiter schon im Vorfeld fragen: "Habt ihr wieder so ein Heft?"
Und natürlich ist auch die Frage der Unterkunft zu klären. So können sich die Pfarrer mit speziellen Ausweisen zwar frei im Olympiadorf bewegen, schlafen aber nicht bei den Mannschaften. Dank der offiziellen Olympiadorf-Karte kann sich Schütt aber schon mal eine erste Orientierung verschaffen. "Den Insiders Guide Bejing hat mir der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Shanghai besorgt."
Der Blick darauf ruft bei dem 49-Jährigen durchaus widersprüchliche Gefühle hervor. "Es schwebt schon ein großer Schatten über diesen Spielen", kommt Schütt auf die Tibet-Proteste zu sprechen. Ein Thema, das die Olympia-Pfarrer schon jetzt in Gesprächen mit den Sportlern beschäftigt. Und so hat sich Schütt differenziert darauf vorbereitet. "Die Steyler Missionare haben ein hervorragendes China-Institut bei Bonn."
Schwarz-Weiß-Malerei versucht der Krefelder Schütt zu vermeiden, und so will er auch die chinesische Seite verstehen lernen. "Es ist ein Volk mit einer hervorragenden Kulturleistung, das sich immer als Reich der Mitte gesehen hat." Wer diese Harmonie störe, werde in China als Feind des Volkes angesehen. Hinzu komme der Konfuzianismus. "Dort hat sich der Einzelne der Gemeinschaft unterzuordnen."
Womit Schütt nicht die Verletzungen der Menschenrechte kleinreden möchte. Doch: Zum Einen sieht er gerade da die alte Idee der Völkerverständigung herausgefordert, zum Anderen mahnt er: "Eines muss man klar sehen: Man darf die Möglichkeiten des Spitzensports nicht überschätzen." Die Olympischen Spiele seien vom IOC nun mal nach Peking vergeben worden. Ein Boykott bringe da nichts, stütze eher die Hardliner in China, denkt Schütt auch mit Blick auf die einzelnen Sportler. "Sie sind das schwächste Glied in der Kette des Unternehmens Olympia. Für sie ist es das Highlight."
Große Hochachtung habe er daher vor den deutschen Sportlern, die das Thema Tibet nicht aussparten. "So wie Aktivensprecherin Claudia Bokel, die in der Abschlusserklärung auf den Passus ,mündige Athleten’ großen Wert gelegt hat."
Sie gehört zu den Sportlerinnen, die Schütt längst bekannt sind. Schließlich ist er bereits in Athen im Einsatz gewesen, und neben Olympia begleitet der Pfarrer auch viele andere Sport-Großereignisse. "Daraus haben sich Kontakte ergeben, die auch darüber hinaus wirken."
Nein, nein, man dürfe sich das aber nicht so vorstellen, als hätten die Sportler auf den geistlichen Beistand gewartet, sagt Schütt und fährt sich durch das kurze, dunkle Haar. Vielmehr seien darunter immer mehr Menschen, die den Beruf Pfarrer erst einmal akustisch unter "Fahrer" ablegten. "Wir müssen uns schon selbst auf den Weg machen."
Kontakte entstünden da oft eher beiläufig, etwa abends bei einem Bier. Die Themen seien meist vergleichbar mit einer normalen Gemeinde. "Fragen der Partnerschaft, Freunde und Familie", zählt Schütt auf. Während zu Hause Geburtstage gefeiert würden, befänden sich die Sportler ja oft im Training.
Insgesamt aber herrsche eine schöne Atmosphäre im olympischen Dorf, betont Schütt. Und seine Vorfreude auf das Zusammentreffen all der vielen Nationen kehrt zurück. Vielleicht kann er da ja auch wieder seinem Hobby frönen. "Die Niederländer hatten schon Fahrräder dabei."