Schulprojekt der Sinfoniker: Sinfonie als Lebensdrama

Was sich hinter den Klängen klassischer Musik verbergen kann, erläutern die Sinfoniker neuerdings im Klassenraum.

Krefeld. Liebe und Leidenschaft — das kann für 17- bis 18-jährige Schüler ein ernstes Thema sein. Auf alle Fälle eines, das junge Leute anspricht, dachten sich sechs Musiker der Niederrheinischen Sinfoniker. Für ihr neues Schulprojekt wählten sie daher die „Symphonie fantastique“ von Hector Berlioz aus. Im Musikunterricht am Fichte-Gymnasium gaben sie gestern eine Werkseinführung.

Und so erlebten 37 Jugendliche nicht nur eine ungewöhnliche Doppelstunde, sondern auch eine Premiere mit Live-Musik von Profis im Unterricht. Zu den Aufgaben eines Orchestermusikers gehört schließlich inzwischen neben Proben und Konzertauftritten auch die Musikvermittlung. Das steht sogar im Tarifvertrag.

Wie viel Arbeit in einer Werkseinführung für den Besuch eines Sinfoniekonzerts steckt, wurde im Musiksaal des Fichte-Gymnasiums deutlich. Der bei dieser Aktion am Klavier agierende Kontrabassist Georg Ruppert hatte Teile der Sinfonie, die für ein großes Orchester geschrieben wurde, für sechs Musiker arrangiert. Auch die Moderationen waren gewissenhaft vorbereitet.

Kontrabassist Holger Saßmannshaus und Geigerin Regine Florack hatten sich ebenso auf zusätzliche Sprechrollen eingestellt. Drei Bläser, Renate Schlaud-Groll (Quer- und Piccoloflöte), Detlef Groß (Oboe und Englisch Horn) und Olaf Scholz (Klarinette), komplettierten das Mini-Orchester auf der kleinen Bühne.

Inhaltlich und musikalisch geht es in der „Symphonie fantastique“ hoch her, machte Ruppert klar. Denn der 24-jährige Berlioz vertonte damit das „größte Drama seines Lebens“. Aus der leidenschaftlichen Liebe zu einer englischen Schauspielerin sollte die „erste Drogenrausch-Sinfonie der Musikgeschichte“ hervorgehen. Emotionen pur, in Klänge umgesetzt, die für diese Zeit revolutionär waren.

Wie Berlioz die wüste Autobiographie eines Komponisten umsetzte, arbeiteten die Musiker in Wort und Ton sehr anschaulich heraus. Das fand auch Hanna Eberhardt (17): „Ganz interessant die einzelnen Stücke auseinander genommen zu haben, nach dem Motto: Damit meinte der Künstler das und das . . ..“

Philipp Emmerich (18) gefiel die „direkte Geschichte“: „Sonst redet man nur über die Noten, aber hier über die Emotionen“. Für den 17-jährigen Artem Pusch war es gut, „dass die Kleinigkeiten, die man in einem Orchester überhören würde, jetzt plötzlich herauskamen“.

Doch nicht nur Hören stand auf dem Plan, auch selber Singen war angesagt: ein Thema aus den Albträumen des Komponisten — seine eigene Beerdigung, nachdem er die Geliebte im Traum umgebracht hatte und dafür zum Tode verurteilt worden war. Mit dieser abwechslungsreichen Stundengestaltung waren die Jugendlichen zufrieden, doch einen Tipp hatten sie noch für die Musiker, die das Unterrichten schließlich nicht gewohnt sind: Sie sollten freier reden, ohne Karteikarten. „Das sieht ein bisschen blöd aus. Ist aber nicht schlimm! Sie sind ja Musiker und keine Redner oder Politiker!“