Sie hält dem Ostwall seit 50 Jahren die Treue
Hiltrud Fimmers arbeitet seit 1960 auf Krefelds Prachtboulevard in verschiedenen Praxen sowie Geschäften und hat vieles erlebt.
Krefeld. "Hallo Inge". Bei einem Rundgang über den Ostwall schaut Hiltrud Fimmers immer wieder hoch und grüßt vorbeigehende Passanten. Sie genießt es offensichtlich. Auf dem Ostwall ist die Krefelderin in ihrem Metier. Sie kennt ihn inzwischen wie ihre Westentasche. Und umgekehrt kennen sehr viele Menschen hier sie. Seit 50 Jahren arbeitet die zierliche Frau mit dem blonden Kurzhaarschnitt in verschiedenen Praxen und Geschäften auf dem Teilstück zwischen Neue Linner- und Schwertstraße.
Am Sonntag feiert Hiltrud Fimmers ihren 65.Geburtstag. Doch ans Aufhören denkt sie derzeit noch nicht. "Ich möchte den Ostwall nicht missen." So lange sie so agil ist und vor Energie sprüht, gönnt sie sich regelmäßig die Fahrt von Bockum ins Herz der Stadt und die zahlreichen Kontakte mit Geschäftsleuten ebenso wie mit Kunden.
Das Arbeiten ist für sie längst zum Hobby geworden. Seit dem vergangenen Herbst begrüßt sie Kunden bei dem Hörgeräte-Spezialisten Pielartzik am Ostwall 75 am Empfang. Bei diesem Arbeitgeber ebenso wie bei den drei vorigen hat sie sich nie selbst beworben. Vielmehr seien diese immer auf sie zugekommen. "Wie in einer großen Familie eben, wo jeder jeden kennt."
An ihre erste Stelle ist sie über ihren Vater gekommen. Er litt an Tuberkulose und war beim Lungenfacharzt Dr. Hans Schulze-Falkenhan am Ostwall 108 in Behandlung. "So wuchs ich in die Praxis rein." Sie machte die Mittlere Reife an der Marianne-Rhodius-Schule und begann im April 1960 als 15-Jährige mit einer Sondergenehmigung wegen ihres Alters die Lehre zur Arzthelferin.
"Das war eine andere Zeit", erinnert sich Hiltrud Fimmers. Sie war die einzige Kraft, notierte sich die Reihenfolge der Patienten, half beim Punktieren der Lunge mit und setzte eigenhändig Spritzen. "Seit dieser Zeit habe ich ein sehr gutes Namensgedächtnis."
1971 kommt ihr Sohn Oliver zur Welt. Sie kündigt und kümmert sich zunächst um ihn, während ihr Mann die Familie ernährt. Auch in dieser Zeit bleibt sie dem Ostwall treu. Ihr Kinderarzt, Dr. Langenkamp, hat gemeinsam mit seiner Ehefrau Ursula seine Praxis im Haus Nr. 113. Unvermittelt fragt er sie eines Tages, ob sie nicht hin und wieder halbtags "als Feuerwehr" für seine Sprechstundenhilfe einspringen könnte.
Aus dem Aushelfen anfangs ist ein Beschäftigungsverhältnis von über 26 Jahren geworden. "1991 habe ich dann aber gekündigt." Sie brauchte eine Veränderung, wollte aufhören zu arbeiten. Ein mutiger Schritt in ihrem Alter. Wie viele Frauen, die sich verändern wollen, ging sie zunächst zu ihrem Friseur, zu Munz am Ostwall 126.
Anstatt ihr nur einen Kaffee anzubieten, ging Siegbert Munz einen Schritt weiter: "Ich kann dich am Empfang gebrauchen! Wie wär’s?" Hiltrud Fimmers wagte nicht nur einen neuen Schnitt, sondern auch eine neue Aufgabe: "Es wurde die schönste Zeit in meinem (Arbeits-)Leben." Auch für die Kundinnen. "Viele kamen oftmals eine Viertelstunde früher, um mit mir ein Schwätzchchen zu halten."
Im Herbst 2009 war damit Schluss. Munz schloss sein Geschäft am Ostwall. Wieder folgte ein Wink des Schicksals. "Was machen Sie denn jetzt, wollen Sie nicht bei mir anfangen?", fragte die Inhaberin des Hörgeräte-Geschäftes Pielartzik. Und Hiltrud Fimmers sagte nur kurzer Bedenkzeit: "Ja." Auch wenn der Ostwall sich in den vergangenen 50 Jahren sehr verändert hat, missen möchte sie ihn nicht.