Sieben Rollis, eine Regel
Im HPZ wird nicht nur gearbeitet, sondern auch Sport getrieben. Beim Rollstuhlbasketball geht es hart aber herzlich zu.
Krefeld. Fehlpass — der Ball prallt auf den Boden und hüpft durch die Halle. Verfolgt wird er von sieben Rollstuhlfahrern, die mit aller Kraft an ihren Rädern kurbeln. Schnell bildet sich eine keilförmige Formation. Der Fahrer an der Spitze erreicht den Ball und hebt ihn auf. Hinter ihm kollidieren einige der übrigen Rollstühle mit einem lautem Scheppern, die Fahrer fluchen laut und dreckig.
Der Spieler mit dem Ball hat inzwischen den Korb erreicht. Jetzt wird es still, alle beobachten seinen Wurf: Treffer, Jubel — auch bei den Gegnern.
Die Rollstuhlbasketball-Mannschaft des Heilpädagogischen Zentrums (HPZ) hat ihre eigene Art diesen Sport zu betreiben. Trainer Richard Hinz: „Wir spielen nicht nach den offiziellen Regeln, die sind zu kompliziert. Einige der Spieler sind geistig behindert, deshalb haben wir die Regeln ein wenig modifiziert.“
„Ein wenig modifiziert“ heißt abgeschafft. Jedenfalls größtenteils: „Eine Regel gibt es schon“, betont Hinz, „die Spieler selbst dürfen nicht attackiert werden.“
Die Rollstühle hingegen schon. Deshalb kommt es ständig zu groben Fouls — wenn man denn die offiziellen Regeln anwenden würde.
Aber das will ja keiner: Der Ball ist wieder am Boden und die Spieler zerren an den Rollstühlen ihrer Gegner, um ihn zu erreichen. Der Spieler, der ihn schließlich aufgehoben und in seinen Schoß gelegt hat, um loszurollen muss ihn gegen kräftige Schläge seiner Gegner verteidigen. So versuchen sie, den Ball wieder ins Spiel zu bringen. Rugby-Atmosphäre breitet sich aus.
Für Hinz ganz klar ein gewollter Trainingseffekt: „Sicher geht es hier etwas rau zu. Aber das ist gut, so können die Spieler ihre Aggressionen abbauen — auf eine positive Art.“
Dass es ihm durchaus ernst ist mit dieser Hart-aber-herzlich-Philosophie, beweist er während des Spiels. Er hat sich in einen Rollstuhl gesetzt und sich einer der Mannschaften angeschlossen. Jetzt drängen seine Gegner ihn gegen eine Wand. Er verschwindet in einem Gewusel aus Menschen und Rollstühlen. Als sich das Chaos lichtet, liegen der Trainer und sein Rollstuhl am Boden. Die übrigen Spieler rollen lachend davon.
Es war nicht klar zu erkennen, ob hier gegen die einzige Regel verstoßen wurde — keine Spieler zu attackieren. Hinz jedenfalls nimmt es sportlich, sattelt wieder auf und spielt weiter. Trotz dieser massiven Attacke gewinnt seine Mannschaft die Partie.
Für Zayed Abushihab bedeutet das eine Niederlage, er hat in der gegnerischen Mannschaft gespielt. Zwar hatte er in den letzten Minuten noch einen Korb geworfen, gereicht hat es dennoch nicht — 8:12 lautet der Endstand. Spaß hatte er trotzdem. Basketball gibt ihm „einen Kick“, wie er sagt.
Abushihab leidet an spastischen Lähmungen in den Beinen, kann aber mit Krücken laufen, wenn auch nur mühsam. Zum Basketballspielen setzt er sich deshalb in einen Rollstuhl.
Trotzdem interessiert er sich auch für „Fußgänger-Basketball“. Hin und wieder schaut er sich Spiele der amerikanischen Profi-Liga NBA an. Er betont aber, dass er keineswegs Neid empfinde, nur weil er selbst beim Basketball auf Rollen angewiesen ist. Mit einer Ausnahme vielleicht. Einmal so in die Luft steigen zu können wie Shaquille O’Neal und den Ball mit einem Dunking von oben in den Korb zu stopfen: „Das wäre schon cool.“
Und bei einem solchen Slam Dunk, genau wie „Shaq Attack“, den ganzen Korb zum Einsturz zu bringen — das würde ihm auch gefallen, gibt er lachend zu.