Silvia & the City: Deutschland, welch liebenswertes Land

Silvia Pyttel - eine Krefelderin in New York berichtet über ihr Leben in der Stadt der Städte.

New York. Es gibt viele Gründe dafür, die Heimat im Herzen zu tragen: Auf den gradlinig gepflasterten Straßen fahren die schönsten Autos, man braut das beste Bier, spielt grandiosen Fußball und backt das leckerste Brot.

Das scheinen auch die Amerikaner - oder zumindest New Yorker - ähnlich zu sehen. Auf meine Herkunft angesprochen, ernte ich stets begeisterte Reaktionen. Immer wird gleich das gesamte Wissen über Deutschland ausgegraben und ein langer Monolog darüber gehalten, wie freundlich und blond die deutschen Mädchen sind und welche deutschen Städte man bereits bereist hat oder in naher Zukunft noch bereisen möchte.

Mit großer Vorliebe werden auch Geschichten von der deutschen Verwandtschaft erzählt. Manch ein Taxifahrer schreckt in der Hoffnung auf ein üppiges Trinkgeld nicht einmal davor zurück, mich mit einem "Aouf Wiedoersehen" zu verabschieden.

Auf einer Party in einer New Yorker WG habe ich festgestellt, dass sich in der Gruppe der 20- bis 35-jährigen Amerikaner herumgesprochen hat, dass Berlin jetzt DIE Stadt ist, in der man unbedingt leben sollte.

Einer der Anwesenden bescheinigt mir sogar, dass unsere Hauptstadt als das "neue, bessere New York" gehandelt wird - weil es günstig ist, alle frei und kreativ sein können und man auf offener Straße legal Marihuana rauchen darf. Letzteres ist mir zwar auch neu, aber angesichts so viel Enthusiasmus widerspreche ich nicht und denke darüber nach, wie Herr Wowereit zu einem neuen Stadtslogan stehen würde. Letzte Woche noch "Arm, aber sexy" jetzt schon "Berlin - das neue New York".

Ein paar Tage später treffe ich nach einem Barbesuch am anderen Ende der Stadt auf einen Mann, der seinen Hund ausführt. Nach einer kurzen Unterhaltung über die Tücken der Tierhaltung in der Großstadt fragt er: "Kennst du Claudio? Er ist auch Deutscher!" Als ich ihm erkläre, dass ich diesen Claudio nicht kenne, ist er ein bisschen enttäuscht: "Schade, er wohnt gleich zwei Häuser weiter, du solltest ihm mal Hallo sagen! Ihr Deutschen müsst zusammenhalten, so wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft. Die habt ihr doch gewonnen, oder?"

Ich beschließe, auch dieses Mal, nicht zu widersprechen, werfe die blonden Haare zurück und lächle freundlich. So ein bisschen Unwissenheit sollte man jetzt auch nicht zu scharf verurteilen.