Städte wollen voneinander lernen
Die Partnerschaft boomt geradezu. Wir haben Kooperationen und Pläne aufgeschrieben. Es geht voran.
Krefeld. Krefelds Partnerstadt Venlo liegt eine gute halbe Autostunde entfernt. Diese Nähe zum Nachbarland wurde in der Vergangenheit kaum genutzt. Oberbürgermeister Frank Meyer hat vor einiger Zeit gemeinsam mit seinem Venloer Pendant, Antoin Scholten, eine Vertiefungserklärung unterschrieben, um der über 50-jährigen Städteehe neue Impulse zu geben. Davon können die Partner auf verschiedenen Ebenen profitieren.
Zurzeit entwickelt sich geradezu ein Partnerschafts-Boom. Egal ob Sport, Freizeit, Verwaltung oder Kultur - die deutsch-niederländischen Bande werden auf allen erdenklichen Ebenen geknüpft und festgezurrt. Wir haben die Kooperationen und Pläne aufgeschrieben.
Was mit Stadtspaziergängen in den Nachbarstädten begonnen hat, soll nun konkret mit einer durchgängigen Fahrradtrasse Krefeld - Venlo ihren Fortgang finden. Die anliegenden Städte werden mit auf die „Tour“ genommen und können sich einbringen. Einmal im Jahr treffen sich Fußballmannschaften aus den Niederlanden und Deutschland zum großen Street-League-Turnier in Venlo. An drei Tagen wird der Pokal ausgespielt. Das Freizeitzentrum-Süd und die Mannschaft von Schicksbaum nehmen mit U17-Mannschaften teil. Venloer Fußballteams sind auch in Krefeld dabei. Überhaupt ist der Fachbereich Jugend interessiert. So soll die Teilnahme am Projekt „Durch Neugierde lernen“ grenzübergreifende Kooperationen für innovative Lehrmethoden erschließen. Auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft gibt sich sportlich. Sie ist Mitglied im Business-Club des Fußballvereins VV Venlo und hier regelmäßig bei Veranstaltungen präsent.
Daraus hat sich das gemeinsam ausgerichtete deutsch-niederländische Unternehmertreffen ergeben, welches von 2014 bis 2016 zweimal im Jahr abwechselnd in Venlo und Krefeld stattgefunden hat und in diesem Jahr noch einmal im November in Krefeld durchgeführt werden soll. Stets sind zwischen 70 und 120 Personen dabei. Verantwortliche des Marketing-Clubs Krefeld und des Unternehmerverbandes Ondernemend Venlo mischen mit. Zudem gibt es seit der ExpoReal 2016 einen intensiven Austausch zwischen den Wirtschaftsförderungen Krefeld und Venlo zu Flächen- und Arbeitsmarktthemen. Ein gemeinsames Interreg-Projekt mit der Stadt Venlo und weiterer Partner beidseits der Grenze soll bald an den Start gehen. Das Förderprogramm Interreg hat die EU zur Unterstützung von grenzüberschreitenden Kooperationen ins Leben gerufen.
Die Stadtväter beider Städte möchten voneinander lernen, beispielsweise an- und abgucken, wie Verwaltung in der Partnerstadt funktioniert. Meyer: „Deshalb gibt es regelmäßige Kontakte unserer Verwaltungsvorstände, der Venloer Gemeinderat besucht unsere Ratssitzungen und umgekehrt.“ Darüber hinaus hat der Krefelder Stadtrat beschlossen, einen ständigen Ausschuss zur Pflege der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Städten einzurichten. Er hat im April in Venlo das erste Mal getagt. Die VHS macht die Beamten hier sprachlich fit. Eine spannende Frage - natürlich mit Blick auf Venlo - ist laut Meyer: „Wie wollen wir künftig im Stadthaus arbeiten? Klassisch in Einzelbüros oder im Open-Office wie die niederländischen Kollegen?“ Sie haben weniger Schreibtische als Mitarbeiter, da auch nicht immer alle da sind, denn es gibt keine festen Arbeitszeiten. Die Mitarbeiter besitzen keinen festen Platz, könnten praktisch auch mobil an der frischen Luft, etwa an der Maas arbeiten. „Es sind ganz andere Arbeitskulturen.“ Ihr ökologisches Verwaltungsgebäude wurde aus widerverwertbaren Rohstoffen hergestellt. Meyer: „Es besitzt einen Garten, der die Atemluft darin regelt und luftreinigende Teppichböden.“ Es könne in einigen Jahren komplett zurückgebaut und ein nächstes neu errichtet werden. Das frühere Haus diene heute deutschen Autobahnen als Füllmaterial.
„Dann können sie auch sehen, wie gut sich Venlo aus der Weltgartenbauausstellung Floriade heraus entwickelt hat, wie sich das Stadtbild dort nachhaltig geändert hat“, findet der OB. „Sie haben es geschafft, die Stadt zum Fluss hin zu öffnen, hatten aber nicht das Problem, dass das Flussufer industriell genutzt wird, wie bei uns. Aber wir arbeiten auch daran.“ Beim Spaziergang durch Krefeld hingegen fanden die Gäste, die Stadt sei „nicht wiederzuerkennen“ — mit Verseidag, Kaiser-Wilhelm-Museum oder Mediothek. Sie finden Linn toll und den KEV.
Es besteht bereits eine gute Zusammenarbeit in der Euregio, dem deutsch-niederländischen Kommunalverband, und anderen EU-Projekten im Gebiet zwischen Rhein und Maas. Die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld hat bislang in zwei grenzübergreifenden Euregio-Projekten über die Geschichtsregion Rhein-Maas auch mit den Kollegen aus dem Archiv in Venlo zusammengearbeitet. Die Mitarbeiter hatten die Möglichkeit, die an der Maas gefundene mittelalterliche Mikwe - ein Bad für religiöse Verrichtungen - zu besuchen. Die Funde befinden sich mittlerweile im Museum in Venlo. Schon seit 40 Jahren besteht eine Zusammenarbeit der Archivleitungen im Rahmen der „Stichting Peel-Maas-Niers“. Jetzt wird vom „Gemeentearchief Venlo“ und dem Stadtarchiv Krefeld ein von der Euregio gefördertes Ausstellungs- und Publikationsprojekt zur Wirkungsgeschichte der Reformation vor 500 Jahren und zur folgenden Begegnung der Konfessionen in beiden Städten durchgeführt. Titel: „In Einheit leben, in Vielheit glauben“. Die Eröffnung findet am 31. Oktober in beiden Städten und in Krefeld um 19 Uhr im Foyer des Rathauses statt. Hierzu erscheint eine rund 70-seitige Publikation zum Thema, die insbesondere auch für Schulen interessant ist. Es besteht ein fachlicher Austausch zwischen dem Gemeentearchief Venlo und dem Stadtarchiv Krefeld, in dessen Rahmen jetzt im Herbst gegenseitige Besuche der Kollegen stattfinden, wobei sie sich in die jeweilige Arbeit wie Benutzersaal, Reproduktion oder Geschäftsabläufe einführen lassen und ins Gespräch kommen.
Die VHS plant voraus und für den 24. April eine kulturelle Tagesfahrt mit Hendrik Steeger als Fahrtleiter. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie Altstadt, Kirchen und Museen sollen während einer Führung besichtigt werden. Auch ein Besuch des historischen Renaissance-Rathauses steht auf dem Programm. In Planung sind: ein Kleinkunstabend Venlo — Krefeld mit drei Krefelder Kleinkünstlern und ein Niederländisch-Kurs der VHS Krefeld führt Venloer durch die Seidenstadt und umgekehrt.
Und dann gibt es noch den Heiligen Mann: Alle Jahre wieder am ersten Advent freuen sich Kinder und Erwachsene über den Besuch des „Sinterklaas“ aus Venlo in Uerdingen. Er wird von seinen „Zwarten Pieten“ und zahlreichen Musikanten begleitet. Auftakt der Veranstaltung ist ein Konzert der Koninklijke Philharmonie Venlo am Uerdinger Steiger.