Stadtführung: Auf den textilen Spuren des Seidenwebers Meister Ponzelaer
Günter Göbels informiert unterhaltsam über die wirtschaftliche Vergangenheit.
Krefeld. Für Günter Göbels, den Patroneur im Ruhestand, ist es gar keine Frage, dass sich Krefeld als Samt- und Seidenstadt auch auf Ortsschildern präsentieren dürfte. „Obwohl Goethe schon lange tot ist, nennt sich Weimar trotzdem berechtigt die Goethestadt!“
Wie sehr die Textilproduktion mit ihren vielen, heute unbekannten Facetten die Stadt prägte, macht er auf seiner Stadttour höchst lebendig. Da konnte die Krefelder SPD für diesen Punkt in ihrem Sommerferienprogramm kaum einen kompetenteren Herrn finden.
Bei Meister Ponzelaer trafen sich am Dienstagnachmittag rund 30 Interessierte, um sich unterhaltsam in die Wirtschaftsgeschichte einführen zu lassen. Der rote Faden des Stadtspaziergangs ist zunächst noch aus Wolle oder Leinen gesponnen. Beim stadtbekannten Denkmal des Meisters Ponzelaer an der Ecke Südwall/Ostwall ist der Rohstoff edler geworden, denn die Epoche der Seidenweberei hat begonnen.
Da ein Heimweber das kostbare Material nicht vorfinanzieren konnte, erhielt er vom Seidenbaron den Kettbaum mit Kettfäden aus Seide und aus gleichem Material die Spulen für den Schuss. Zuhause wurde aus den Fäden der edle Stoff gewebt und dann auf dem Kettbaum aufgewickelt abgeliefert und abgerechnet.
Die Lebens- und Arbeitsverhältnisse unterschieden sich damals deutlich, erklärt Göbels: „Ein Arbeiter vor 200 Jahren war schon zufrieden, wenn er keinen Hunger hatte“ — seine bei der Heimarbeit mithelfenden Familienangehörigen inklusive.
Auf dem südlichen Teil des Westwalls zählt er eine eindrucksvolle Menge an Hausnummern auf, die im 19. Jahrhundert jeweils mit einer Weberei verbunden waren. 1859 waren es 154 in der gesamten Stadt: „Früher war es hier viel lauter durch das Klappern der Webstühle als heute durch den Straßenverkehr.“
Nicht nur die Webereien prägten die Geräuschkulisse und die Textilwirtschaft zwischen den Wällen, auch die technischen Ateliers gehörten beispielsweise dazu. Hier arbeiteten die Männer, die wichtige Vorarbeiten für die Weberei leisteten. Die Musterzeichner entwarfen die Webmuster, die Patroneure setzten die Entwürfe in fadengerechte Zeichnungen um, und die Kartenschläger machten daraus die Lochkarten, die an den Webstühlen dafür sorgten, dass daraus feinste Seidenbilder entstanden.
Mit welcher Feinheit hier gearbeitet wurde, belegt Göbels schon an seiner Seidenkrawatte, bei der auf einen Zentimeter 115 Seidenfäden kommen und ein Paradiesmuster mit Adlern und Schwänen darstellen.
Immer wieder macht er deutlich, wie sehr die Seidenweberei in der Stadt Krefeld vertreten war, selbst bis in die touristischen Souvenirs: „In Krefeld wurden Stadtansichten nicht gemalt, sondern aus Seide gewebt!“ und lässt Beispiele zum Bestaunen durch die Gruppe wandern.
Als Belege für die Krefelder Textilgeschichte dienen ihm auch Straßennamen. Und er deutet an, dass man auch auf dem Friedhof erfolgreich auf Spurensuche zur Samt- und Seidenweberei gehen kann. Im Oktober, bei der nächsten Führung, wird er es beweisen.