Tierische Exporte in alle Welt
Thabo verlässt am Donnerstag Krefeld – aber auch alle anderen Jungtiere müssen irgendwann gehen.
Krefeld. Bei Menschen wie bei Tieren gilt: Der Nachwuchs muss irgendwann auf eigenen Beinen stehen. Und so machen sich regelmäßig in Krefeld geborene Zoobewohner auf die Reise in die große weite Welt. "Alle Nachzuchten müssen irgendwann gehen", sagt Zootierarzt Dr. Martin Straube. "Das ist nur natürlich. Die Tiere werden selbstständig und müssen weg - aus Platzmangel und um Inzucht zu vermeiden."
Morgen verlässt der Nashornbulle Thabo Krefeld in Richtung Dänemark, wo er bereits freudig erwartet wird. Er soll im Zoo Ebeltoft Stammvater einer neuen Nashornzucht werden. Zwei Jahre lebte er an der Seite seiner Mutter Nane, nun erwartet sie zum dritten Mal Nachwuchs. "Das ist spätestens der Zeitpunkt, an dem sich Spitzmaulnashörner auch in der freien Wildbahn von ihrer Mutter abnabeln", erklärt Straube.
Die Zucht ist für die Zoos sehr wichtig - aus mehreren Gründen. Zum einen ist sie unentbehrlich für den Artenschutz: Die Spitzmaulnashörner beispielsweise sind hochgradig gefährdet. Und so wurden bereits Individuen aus europäischen Zoos wieder in Afrika ausgewildert. Zum anderen ist die Zucht laut Straube die beste Beschäftigungstherapie für die Tiere. "Sonst droht der große sexuelle Frust", sagt er.
Ein Negativbeispiel sind die beiden Krefelder Tiger. Das Verhältnis zwischen dem Kater Beludru und der Katze Sutera ist nachhaltig gestört, weil die beiden sich lange Zeit nicht näher kommen durften. "Beludru ist mit der Zeit immer aggressiver geworden, weil er seine Partnerin zwar gerochen hat - vor allem wenn sie rollig war -, er aber nie zum Zuge kam", erklärt der Zootierarzt. "In der Natur hätte er sie aus seinem Revier bereits längst verjagt." Jungtiere seien für Großkatzen enorm wichtig, sonst drohten sogar psychische Erkrankungen.
Wer mit wem ein Schäferstündchen zur Arterhaltung einlegen darf, entscheiden die sogenannten Zuchtbuchführer. In diesen Zuchtbüchern - fast jede Art hat ein eigenes - werden teils weltweit die Stammbäume der Tiere dokumentiert. "Diese Kontrolle ist für die Gesundheit der kleinen Zoo-Populationen unentbehrlich", erklärt Straube. "Inzucht muss unbedingt vermieden werden, weil sonst der Bestand irgendwann wegen genetischer Verarmung zusammenbricht."
Viele Tierarten aus Krefeld haben gute Gene und sind somit regelrechte Exportschlager. "Nashörner, Schneeleoparden, Kleine Pandas und Fischotter zum Beispiel ", zählt Straube auf. "Da bekommen wir reihenweise Anfragen von anderen Zoos." Ein faires Geben und Nehmen herrscht zwischen den Tierparks. Da für geschützte Arten ein Vermarktungsverbot herrscht, sie also nicht gehandelt werden dürfen, wäre der Verkauf illegal. "Und so tauscht man ,gleichwertige’ Tiere, beispielsweise einen Tiger gegen einen Jaguar."
Wenn die neue Heimat der Krefelder Zookinder feststeht und der Zuchtbuchführer sein Okay zum Umzug gegeben hat, müssen viele Dinge geregelt werden. Nachdem ein Termin mit einem spezialisierten Transportunternehmen vereinbart wurde, müssen jede Menge Tests durchgeführt werden, um zu prüfen, ob das Tier eine Seuche in sich trägt. Hinzu kommt die Ausstellung zahlreicher Dokumente, die für den Transport unentbehrlich sind.
Aber am wichtigsten ist, dass der Umzug so stressfrei wie möglich für die Tiere abläuft. Deshalb beginnt schon Wochen vorher das Kistentraining. Thabo jedenfalls scheint sich in seiner Transportkiste bereits sehr wohlzufühlen. "Er geht brav rein und bleibt auch ganz ruhig, wenn sie geschlossen wird", berichtet Straube. "Das ist ein richtig gutes Zeichen."