Vom Schiff blickte man auf den Uerdinger Galgen
Richtstätten in Krefeld sollten nicht nur der Bestrafung, sondern auch der Abschreckung dienen.
Krefeld-Uerdingen. Wer im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit mit dem Schiff an Uerdingen und Linn vorbeifuhr, den begrüßte kein Schild mit "Herzlich willkommen!". Vom Fluss erblickten Schiffer und Passagiere Galgen und Rad der beiden kurkölnischen Städte. An Straßen, Flüssen und auf Anhöhen sollten Richtstätten Reisende und Einheimische mahnen, dass die Einwohner der Städte rechtschaffene Menschen sind. Frei nach dem Motto: "Verbrechen lohnt sich hier nicht - du wirst bestraft, wenn es sein muss, mit dem Tod".
Die Bestrafungen richteten sich nach der "Carolina", der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahr 1532. Krefeld und Teile von Hüls waren im Mittelalter und der Frühen Neuzeit (1500 bis 1789) Territorien wie Inseln umgeben von Kurköln mit den Städten Uerdingen und Linn.
Wo sich Richtstätten befanden, lässt sich heute noch auf alten Stadtansichten und durch historische Quellen wie dem Tagebuch der Brüder ter Meer erschließen. Eine Flurbezeichnung wie zum Beispiel "Galgenberg" existiert nicht in Krefeld, anhand derer man eine solche Stätte lokalisieren könnte.
Von der damaligen Herrlichkeit Crefeld sind drei Richtstätten bekannt. Die Richtstätte an der Landstraße nach Fischeln - heute im Bereich der Virchowstraße - wurde nachweislich während der oranischen Herrschaft (1600 bis 1703) genutzt.
Gemäß der "Carolina" befragte man in Krefeld Beschuldigte "peinlich", also mit der Folter, im Rahmen der Gerichtsverhandlung. So trug es sich auch bei zwei Fällen im 17. Jahrhundert zu. Wegen mehrfacher Vergewaltigung und Körperverletzung wurde der niederländische Soldat Hermann van Merbach 1604 auf Burg Krakau "peinlich befragt" und später hingerichtet.
Ein Jahr darauf sollte ein Hubert van Kempen bestraft werden. Da es in Krefeld keinen eigenen Henker gab, wurde dieser aus Duisburg "importiert". Neun Tage benötigte er, um mit "veele muhe mit de tortur" den Beschuldigten zu einem Geständnis zu bringen.
Angeklagt war er wegen einer versuchten Vergewaltigung. Unter der Folter gab van Kempen den Mord an 13 Männer und schwangeren Frau zu. Als Mörder hatte er "das leben verwürckt".
Die Hinrichtungen dienten nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Demonstration der staatlichen Macht. Archäologische Ausgrabungen und Untersuchungen dazu hat es bislang nur an wenigen Richtstätten unter anderem auch im Rheinland gegeben. "Dort hat man vor allem Skelettüberreste von Delinquenten gefunden", sagt Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn.
In Krefeld sind solche Grabungen nicht möglich, da die Richtstätten überbaut worden sind. So wie die Linner Gerichtsstätte auf dem Klinkenberg.
Dort wurden noch im 18.Jahrhundert Hinrichtungen vollstreckt. Die zogen stets viel Publikum an. Die Menschen strömten vor die Tore der Stadt. Im frühen 18. Jahrhundert wurde die Richtstätte in Krefeld an der Landstraße nach Fischeln für die Masse zu klein. Ein neuer Richtplatz wurde deshalb 1708 im Kliedbruch (früher Driesdyk, heute Appellweg) mit Rad, Galgen und Pfahl eingerichtet.
Die Hülser Richtstätte - nördlich vom Hülser Berg auf der Schlufftrasse - muss bereits zum Ende des 15. Jahrhunderts existiert haben. Die "Hexe" Nesgen to Range richtete man 1492 dort hin. Die Praxis der Hexenprozesse wird zurzeit in der Ausstellung "Friedrich Spee und die Hexenverfolgung am Niederrhein" im Museum Burg Linn thematisiert. Das letzte Todesurteil am Hülser Berg wurde 1797 vollzogen. Zwei Mitglieder der sogenannten Krefelder Bande wurden dort wegen eines Überfalls auf Haus Niersdonk erhängt. Fortan ließen die Franzosen, die seit 1794 als Besatzer am Niederrhein waren, die Todesurteile durch die Guillotine in Aachen vollziehen.