Wie ein Uerdinger den Ruhrpott prägte

Fritz Schupp schuf das Weltkulturerbe Zeche Zollverein. Er ist einer der bedeutendsten Industrie-Architekten des 20. Jahrhunderts.

Krefeld. Schacht 12 steht für das Ruhrgebiet wie kein anderes Symbol. Der rote Förderturm der Zeche Zollverein in Essen, der sich 58 Meter in die Höhe streckt, ist nicht erst seit der Eröffnungsfeier der Ruhr 2010 ein international bekanntes Bauwerk. Bereits 2001 hat die Unesco die Schachtanlage zum Weltkulturerbe ernannt.

Was kaum jemand weiß: Der architektonische Vater von Zollverein, die lange als schönste Zeche der Welt galt, stammt aus Uerdingen. Fritz Schupp wurde 1896 in der Rheinstadt geboren.

Über seine Kindheit dort ist selbst Biografen und Architektur-Experten nichts bekannt. Fest steht, dass die Familie Schupp nach 1907 in Essen lebte. Dort eröffnete Schupp auch später sein Architekturbüro, von dort prägte er gemeinsam mit seinem Kompagnon Martin Kremmer die Architektur des Ruhrgebiets, plante Zechen und die angegliederten Siedlungen. Wie niemand sonst gestalteten Schupp und Kremmer das Bild, das wir bis heute mit dem "Pott" verbinden.

"Im Bereich der Industrie-Architektur ist Fritz Schupp eine herausragende Figur", sagt Christof Rose, Pressesprecher der Architektenkammer NRW. "Er hat das Bild einer ganzen Region geprägt." Bis heute vermitteln Zeche Zollverein und andere Arbeiten "überwältigende Eindrück", wie Rose sagt: "Schupp hat eine elegante Formensprachen für reine Zweckbauten entwickelt. Bis heute identifizieren sich die Menschen mit diesen Gebäuden."

Schupp und sein früh verstorbener Partner Kremmer waren in vielerlei Hinsicht Pioniere: Als erste Architekten überhaupt waren sie mit Zechenbauten befasst. Zuvor hatten Ingenieure das Sagen, und entsprechend zweckmäßig sah das Ergebnis aus.

Auch Schupp und Kremmer ging es in erster Linie um Funktionalität. Sie befolgten bei ihren Entwürfen die Maxime der Bauhaus-Bewegung: Form follows function - die Form folgt der Funktion. So schlicht ihre Zechenbauten auf den ersten Blick wirken, so kunstvoll sind sie aus Stahl, Backstein und Milchglas komponiert. Ihr hervorstechendes Merkmal ist eine fast fanatische Liebe zur Symmetrie. Nicht umsonst befand die Unesco, dass diese Architektur "über Jahrzehnte für den modernen Industriebau beispielgebend war".

Neben Zollverein hat Schupp rund 70 weitere Industrieanlagen geplant, außerdem Kirchen und Villen. Das von ihm und Kremmer gestaltete Bergwerk Rammelsberg in Goslar, heute ein Museum, ist ebenfalls Weltkulturerbe. Auf der Liste der gut 30 deutschen "Kulturgüter von außergewöhnlichem universellen Wert" ist die Sozietät Schupp/Kremmer somit doppelt vertreten - ein einmaliger Vorgang.

In der Biografie des großen Architekten Fritz Schupp gibt es gleichwohl einen dunklen Fleck: Seinen größten Aufschwung erlebte sein Büro während der Nazizeit. In den 40er-Jahren galt es gar als "kriegswichtiger Betrieb".

Die Historikerin Ulrike Laufer, die sich mit dem Leben und Werk der beiden Architekten befasst hat, sieht sie jedoch eher als Mitläufer, keinesfalls als überzeugte Nazis: "Weder von Fritz Schupp noch von Martin Kremmer sind jemals Zeugnisse politischen Interesses bekannt geworden", schreibt sie in einem Aufsatz. "Politischer Pomp und Bürokratismus sind beiden zuwider." Als Mussolini und Hitler sich in Essen bejubeln lassen, verbringt Schupp den von Staats wegen freien Tag mit seinen Mitarbeitern in einer Kneipe.

Wie auch immer seine Rolle in der Nazizeit zu werten ist - seine Verdienste sind unbestritten. Ein Zitat Schupps wird heute - besonders im "Pott" - mehr denn je zur weithin sichtbaren Wahrheit: "Wir müssen erkennen, dass die Industrie mit ihren gewaltigen Bauten nicht mehr ein störendes Glied in unserem Stadtbild und in der Landschaft ist, sondern ein Symbol der Arbeit, ein Denkmal der Stadt, das jeder Bürger mit wenigstens ebenso großem Stolz dem Fremden zeigen soll wie seine öffentlichen Gebäude."