Wie Wember Krefeld groß machte
Ein Buch enthüllt Details zum Leben und Wirken des früheren Museumsdirektors.
Krefeld. Picasso, Chagall, Miró, später Christo, Joseph Beuys und Yves Klein: Bis in die 1970er Jahre gaben sich die Großen der Kunstwelt in Krefeld die Klinke in die Hand. Damals hatte die Stadt am Niederrhein, die sich heute oft verschämt zwischen Düsseldorf, Köln und dem Ruhrgebiet versteckt, in der zeitgenössischen Kunst Weltbedeutung.
Diese Blütezeit ist untrennbar mit dem Namen Paul Wember verknüpft. Von 1947 bis 1975 war er Direktor der Kunstmuseen und prägte diese als Experimentierfelder und Spielwiesen für die kommenden Stars der Szene.
Das Buch „Paul Wember und das hyperaktive Museum“, das am Sonntag in Haus Esters vorgestellt wird, bereitet diese Ära erstmals systematisch auf — und enthüllt viele neue Details über das Leben und Wirken Wembers in Krefeld.
Der Blick der Herausgeberinnen Sylvia Martin und Sabine Röder bleibt nicht allein kunsthistorisch. Sie lassen auch den ältesten Sohn des 1987 verstorbenen Museums-chefs zu Wort kommen.
Der 72-jährige Bernward Wember eröffnet Blicke auf das Verhältnis zwischen seinem Vater und seiner Mutter, der Künstlerin Tomma Wember. Zwischen 1955 und 1966 lebten die beiden mit ihren sieben Kindern in der oberen Etage des Hauses Lange und arbeiteten auch bei den Ausstellungen zusammen. Der Sohn nennt sie folgerichtig „Museums-Direktoren-Ehepaar“.
Was Wember, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, für Krefeld geleistet hat, lässt sich nun noch besser ermessen. So weisen die Autoren nach, dass erbedeutende Künstler wie Miró, Klein, Jean Tingueley und Robert Rauschenberg erstmals in einem deutschen Museum zeigte.
Parallel mehrte er mit seiner Einkaufspolitik massiv den Wert der städtischen Sammlung, etablierte Haus Lange als Ausstellungsort und modernisierte das Kaiser-Wilhelm-Museum inhaltlich wie architektonisch.
Die „enorme progressive Leistung“, die Martin darin erkennt, wurde damals nicht von allen gewürdigt. Seinerzeit war es nicht selbstverständlich, Museumsbesucher mit moderner Kunst zu konfrontieren. „Wember hat manchen Kampf ausgefochten“, sagt Röder. „Viele wollten ihn weghaben.“
Doch seine Ausstellungen hatten Erfolg — „auch wenn einige wohl nur hingingen, um sich mal wieder richtig aufzuregen“, wie Röder sagt. Doch Wember verstand es, die Gemüter mit gelegentlichen konventionellen Präsentationen zu beruhigen. Er holte auch Prominenz wie den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss nach Krefeld. Das freute den Bürgermeister und die Lokalpolitik.
Dennoch erreichte die Konfrontation ihren Höhepunkt, als Wember 1961 die monochrome Kunst von Yves Klein zeigte. „Das war ein richtiger Skandal. Man schrie ,Blasphemie’, es gab Schmähschriften gegen Wember, seine Entlassung wurde gefordert.“ Während die internationale Presse der Ausstellung huldigte, entbrannte in der Stadt eine monatelange Debatte, die Wember schwer zusetzte. „Es finden sich Hinweise auf einen Zusammenbruch.“
Nachdem er diese Phase überstanden hatte, sei Wember „wie befreit“ gewesen, sagt Röder: „Er nahm immer weniger Rücksicht, schärfte sein Programm.“ Als sich der Fokus der Kunstszene Mitte der 60er von Paris nach New York verlagerte, hatte Wember den Blick längst dorthin gerichtet.
Er vertrat Krefeld auf der Biennale von Venedig: Wie selbstverständlich tummelten sich die Kunstmuseen dort in einem illustren Kreis — neben der Tate Gallery, dem Guggenheim-Museum und der Berliner Nationalgalerie.