Ärzte warnen vor CO-Pipeline

106 Kinder- und Jugendmediziner aus der Region unterschreiben einen Protestbrief. Der Bayer-Konzern dagegen sieht keine Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung.

Kreis Mettmann. Im Streit um den Bau der CO-Pipeline des Pharmariesen Bayer melden sich jetzt auch die Kinder- und Jugendärzte aus dem Kreis Mettmann zu Wort. Und sie schlagen Alarm - in Form eines offenen Briefes. Die Adressaten: unter anderem Regierungspräsident Jürgen Büssow, die künftige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und das Unternehmen Bayer.

In dem Schreiben üben die Mediziner zusammen mit den Kollegen aus allen Städten entlang der Trasse Kritik an dem Allgemeinen-Gefahren-Abwehrplan (Agap). Dieser soll rettende Maßnahmen im Fall eines Unfalles sicherstellen.

Festgeschrieben ist nach Auffassung der Ärzte darin, dass im Falles eines Schadens an der Pipeline der Bayer-Konzern entscheiden kann, ob und wann er die Öffentlichkeit darüber informiert. Und genau das betrachten die Mediziner als fahrlässig. "Der Agap ist menschenverachtend. Er stellt nur eine Telefonkette dar, mit der den örtlichen Feuerwehren die Rettung überlassen wird. Tote können so geborgen werden, aber eine Rettung ist nicht möglich", heißt es in dem Brief.

Bedenken hatte auch bereits der Kreis Mettmann geäußert, der, anders als die übrigen von der CO-Pipeline tangierten Städte und Gemeinden, dem Agap nicht zugestimmt hat.

106 Kinder- und Jugendärzte sowie -psychiater haben den Protestbrief unterschrieben. "Das zeigt, dass 99 Prozent der Kollegen unsere Einschätzung teilen", sagt der Kinderarzt aus Hilden, Gottfried Arnold. Er und sein Kollege Martin Terhardt, Obmann der Kinderärzte für den Kreis Mettmann im Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte, sind die Initiatoren des Protestschreibens.

Im Juni 2008 haben sie sich schon einmal mit einem Schreiben an die Regierung und an den Bayer-Konzern gewandt. Der Unterschied zu dem jetzigen Brief: Damals haben allein Kinderärzte aus dem Kreis unterschrieben. Jetzt protestieren Mediziner aus der Region, die von dem Pipeline-Bau betroffen sind. "Damals gab es keine Resonanz und es wurde von Seiten des Konzerns beschwichtigt", sagt Terhardt.

Aus Sicht der Ärzte kommt aber für die möglichen Patienten jede Rettung zu spät, wenn der Bayer-Konzern die alleinige Informationshoheit hat, so Arnold: "Das Kohlenmonoxid ist aggressiv und setze sich 200 Mal stärker an die roten Blutkörperchen als Sauerstoff. Der Betroffene verliert sehr schnell nach dem Einatmen des Gases das Bewusstsein und fällt ins Koma.Es gilt: Je kleiner das Kind, desto größer der Schaden."

Terhardt sagt: "Wenn es zu einem Notfall kommt, müssen die schweren Fälle in Überdruckkammern behandelt werden. Davon gibt es in ganz NRW aber nur zwei."Und es sei davon auszugehen, dass es schwere Fälle geben wird.

Die von der CO-Pipeline ausgehende Gefahr schätzt der Konzern anders ein. "Die Pipeline ist sicher. Wir erfüllen alle Auflagen. Und das über die rechtlichen Vorgaben hinaus", sagt Unternehmenssprecher Jörg Brückner. Zudem sei es nicht richtig, dass Bayer entscheide, wann über einen Schaden informiert würde. "Sollte ein Alarm eingehen, kontrollieren wir, ob es sich um einen Fehlalarm handelt. Und das innerhalb von 60 Sekunden."