Gericht: Pipeline bleibt leer

Bayer-Projekt: Die Reaktionen reichen von Freude, Aufatmen und einem „verfrühten Weihnachtsgeschenk“.

Kreis Mettmann. Das Weihnachtsgeschenk hat 29 Seiten, ist mit Juristen-Deutsch gefüllt und stammt aus Münster - gestern hat das Oberverwaltungsgericht verkündet, dass man die Inbetriebnahme der Bayer-Kohlenmonoxid-Pipeline vorerst gestoppt habe. Die schon weitgehend verlegte Pipeline darf zu Ende gebaut werden, zumal ab Mettmann sich auch Wingas an der Trasse beteiligt.

Bei den Bürgerinitiativen gegen die Pipeline glühten gestern die Telefondrähte. "Wir nehmen mit Freude dieses Urteil auf. Dies ist für uns alle ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk. Wir freuen uns, dass freie und unabhängige Richter den Grundrechten auf Leben, Gesundheit und Eigentum in der Abwägung den Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen von Bayer eingeräumt haben", machte Dieter Donner, Sprecher der Bürgerinitiativen, seinem Herzen Luft. Jetzt habe man genügend Ruhe, um die nächsten Schritte vorbereiten zu können.

Auch Landrat Thomas Hendele wertet die Münsteraner Entscheidung nach ausführlichem Studium des Beschlusses als Erfolg. "Damit sind alle Bemühungen des Kreises, der Städte, aber auch der Privatkläger bestätigt worden. Das Urteil bestätigt uns, auch alle weiteren Verfahren zu führen. Ich kann Bayer nur auffordern, mit den Bauarbeiten sofort aufzuhören, um nicht weitere Millionen Euro in den Boden zu versenken."

Monheims Bürgermeister Thomas Dünchheim ist sich sicher: "Die nächsten fünf bis sieben Jahre wird schon mal kein Kohlenmonoxid durch diese Rohre gehen. Und wenn dann das endgültige Urteil kommt, hat sich das Thema ganz erledigt."

Riesenfreude auch bei Bärbel Hölzer, Sprecherin der Monheimer Bürgerinitiative gegen die Bayer-Leitung. "Das ist für mich das schönste Weihnachtsgeschenk", kündigt sie an, dass man heute Abend auf der Wasserski-Anlage Langenfeld-Berghausen mit Champagner anstoßen wolle.

Auch Hildens Bürgermeister Günter Scheib zieht den Vergleich mit einem Weihnachtsgeschenk. Allerdings müsse jetzt zunächst das Urteil analysiert werden, "ob wir daraus für den weiteren Verlauf etwas Honig saugen können". Unabhängig davon zeige das Urteil aber, "dass unsere Bedenken von den Richtern geteilt werden, dass der Abwägungsprozess im Planfeststellungsverfahren nicht völlig sachgemäß war".

Für Erkraths Bürgermeister Arno Werner ist es "höchst erfreulich, dass wir einen Teilerfolg erreicht haben. Aus meiner Sicht können wir optimistisch in die Zukunft schauen."

"Das Urteil ist eine Ohrfeige gegen Bezirks- und Landesregierung und auch gegen die erste Instanz. Wir haben zwar noch nicht gewonnen, doch das Gericht hat sehr umfassend entgegen der ersten Instanz dargelegt, dass die verfassungsmäßigen Bedenken berechtigt sind", wertet Ratingens Bürgermeister Harald Birkenkamp die Neuigkeiten

Bei der Gemeinde St. Martin in Langenfeld-Richrath löste die Nachricht aus Münster etwas Schadenfreude aus. Schließlich war die Gemeinde bei zwei Grundstücken für den Pipeline-Bau enteignet worden.

Langenfelds Bürgermeister Magnus Staehler: "Den Interessen und der Sicherheitslage der Städte und Menschen entlang der Trasse hätte das Gericht kein schöneres Geschenk machen können. Ich freue mich, dass die Richter unsere Auffassung teilen, dass es zweifelhaft ist, das Allgemeinwohl den betriebswirtschaftlichen Interessen eines Einzelnen unterzuordnen."

"Das ist ein unheimlich wichtiger Schritt. Das Oberverwaltungsgericht hat eine ganze andere Sichtweise für den Betrieb eingebracht, als zuvor das Verwaltungsgericht. Es wird Jahre dauern, bis in der Hauptsache eine Entscheidung fällt, und das bedeutet für die Bürger erst einmal Entwarnung", sagt Marion Prell, Erste Beigeordnete der Stadt Langenfeld.

Für die beiden CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Dieter Clauser und Harald Giebels bedeutet die Münsteraner Entscheidung, dass "wir Zeit gewonnen haben." Clauser: "Ich kann aber zurzeit noch nicht erkennen, wie das Thema jetzt zukünftig im Landtag behandelt werden wird."

Und was sagt der Monheimer Landwirt Heinz-Josef Muhr als einer der beiden Kläger? "Ich habe den Glaube an den Rechtsstaat wieder gewonnen. Seit dem ersten arroganten Auftreten der Pipeline-Betreiber auf meinem Hof war ich der Meinung, dass nur der juristische Weg erfolgreich sein wird." Sein Anwalt Jochen Heide wird noch deutlicher: "Die Bezirksregierung Düsseldorf hat sich weit aus dem Fenster gelehnt und ist jetzt herausgefallen."