CO-Pipeline vor dem Aus
Gericht: Münsteraner Richter sehen bei den Enteignungen fürs Bayer-Projekt das Allgemeinwohl nicht genügend berücksichtigt.
Düsseldorf/Krefeld. Die rund 40 Millionen Euro teure Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Bayer-Werken Dormagen und Uerdingen hat kaum noch eine Chance. In zwei überraschend deutlichen Beschlüssen hat das Oberverwaltungsgericht Münster den Anträgen zweier Bürger auf vorläufigen Rechtsschutz weitgehend stattgegeben und eine Inbetriebnahme der Pipeline vorläufig untersagt. Die Pipeline dürfe zwar zuende gebaut werden, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache aber nicht in Betrieb gehen, beschloss das Gericht unanfechtbar. Ein Weiterbau der Pipeline erfolge allerdings "auf eigenes Risiko".
Den Schwerpunkt seiner Entscheidung legte der Senat auf die für den Bau notwendigen Enteignungen mehrerer Grundstücke. Nach dem Grundgesetz seien Enteignungen nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Im Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung sei aber nicht ausreichend erklärt, inwiefern die Allgemeinheit von dem Projekt profitiere.
Monheims Bürgermeister Thomas Dünchheim (CDU) sieht einen Sieg der Pipeline-Gegner: "Das ist ein Knaller. Damit ist das Thema Pipeline für Bayer so gut wie tot."
Dokumentation Wir dokumentieren Auszüge des Beschlusses:
Enteignung "Bei der Enteignung zugunsten privater Unternehmen sind spezifische, erhöhte Anforderungen einzuhalten."
Rohrleitungsgesetz "Die angenommene Tauglichkeit dieser Vorschrift zur Sicherstellung des Gemeinwohlbezugs der Rohrleitungsanlage ist wenig überzeugend."
Planfeststellung "Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses (...) bestehen ferner hinsichtlich der erforderlichen Abwägung der widerstreitenden Belange."
Die Gerichtsentscheidung kommt einer doppelten Ohrfeige gleich: einer für die staatliche Genehmigungsbehörde und einer für den Industriekonzern Bayer. Das Unternehmen hatte sich beharrlich geweigert, den Nutzen der Leitung für den regionalen Wirtschaftsstandort konkret und nachweisbar zu belegen. Die Richter haben richtigerweise klargestellt, dass ein vager Hinweis auf das Gemeinwohl einer solchen Investition für Enteignungen nicht ausreicht. Gleichwohl hat das Regierungspräsidium willfährig die Interessen der Industrie umgesetzt, ohne die Belange der Bürger ausreichend zu berücksichtigen. Und auch die Landespolitik versagte kläglich. Schließlich hat der Landtag ein eigenes Gesetz zum Verlegen der Rohrleitung beschlossen - ohne sich auch nur ansatzweise mit dem komplexen Projekt ausein-anderzusetzen.
Die Gegner der Pipeline - allen voran der rebellische Monheimer Bürgermeister Thomas Dünchheim - haben sich diese Fehler zu eigen gemacht. Sie haben mit ihrer überzogenen Hysterisierung eine ganze Region verunsichert. Aber sie werden Recht bekommen.
Im Ergebnis haben so beide Seiten ihren Anteil daran, dass dieses verkorkste Projekt dem Standort Nordrhein-Westfalen großen Schaden zufügt. Das Bayer-Werk Uerdingen aber muss ganz konkret um seine Zukunft fürchten. Der Chemiepark braucht Kohlenmonoxyd für die Kunststoffproduktion und ein neues Kohlekraftwerk für die Dampferzeugung. Letzteres haben soeben CDU und Grüne im Stadtrat Krefeld vereitelt. Am Rhein vollzieht sich in diesen Tagen ein verhängnisvolles Lehrstück zur Industriefeindlichkeit.