Alt-Willich: Ortskern beleben

Gezielt kann man im größten Stadtteil bestens einkaufen. Zum Bummeln fehlt (noch) die Atmosphäre.

Willich. Das vorliegende Einzelhandelskonzept von 2010 für die Stadt Willich analysiert es schonungslos: Es spricht von einer „nahezu erdrückenden Konkurrenzsituation“ durch Mönchengladbach, Krefeld und Düsseldorf und durch mittelgroße Städte. Gemeint ist etwa Kempen.

Willich ist — gemessen an seiner Bevölkerungszahl von deutlich über 50.000 — zwar ein Mittelzentrum, aber als Einkaufsstadt erfüllt es diese Erwartung nicht.

„Willich ist zergliedert, wir haben kein Zentrum“, sagt Einzelhändler Alfred Erren über „seinen“ Stadtteil Alt-Willich. Er könnte genauso gut die Situation der Gesamtstadt meinen. Die vier Stadtteile liegen teilweise bis zu acht Kilometer auseinander.

Alt-Willich ist mit 22.000 Bürgern der größte Willicher Stadtteil. „Eine Wohlfühl-Atmosphäre mit Schaufenster von Geschäften, die zum Bummeln einladen, die kriegen wir noch nicht hin“, sagt Erren kritisch. Was in 100 Jahren so gewachsen sei, könne man nicht einfach umdrehen.

Das Problem ist im Rathaus erkannt. Christel Holter, die neue Koordinatorin für die Ortskerne bei der Willicher Stadtverwaltung, sieht in Alt-Willich „den größten Handlungsbedarf. Der Ortskern ist schlecht zu finden. Er muss belebt werden“.

„Was hier in Alt-Willich funktioniert, das ist der Ziel-Einkauf. Da halten wir hier im Ort ein gutes Angebot vor,“ sagt Erren, dessen Schreibwarengeschäft seit 1967 in Familienbesitz ist. Die Grundversorgung im Stadtteil sei in Ordnung, sagt der Einzelhändler. Das bestreitet auch das Einzelhandelskonzept nicht. Die Warengruppe des täglichen Bedarfs, vor allem Lebensmittel und Pflegeartikel, decken etliche Sortimenter ab.

„Was fehlt, ist ein gutes Damen-Oberbekleidungsgeschäft“, sagt Erren, „und auch ein weiteres Schuhgeschäft, vor allem für Damen. Früher gab es hier sechs Schuhgeschäfte, jetzt nur noch Deichmann und Panknin.“ Am liebsten hätte Erren auch einen „Hip-Laden für Jugendliche und junge Leute von 15 bis 22 Jahren in der Stadt, die ihre Klamotten-Labels und ihre Skateboards hier einkaufen können“.

Angebotslücken wie diese schlagen sich in Statistiken nieder. Jeder zweite Euro der Alt-Willicher wird nicht im eigenen Ort ausgegeben. Dabei sind die Willicher Städter insgesamt betrachtet kaufkräftige Kunden. Das Einzelhandelskonzept weist die Kaufkraftkennziffer von 106,18 aus. Willich liegt also über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 100. Aber dem Willicher Einzelhandel gelingt es nicht, diese Kaufkraft zu binden.

Das Neubaugebiet Wekeln hat trotz des Kaiser’s-Marktes in Wohnnähe zu einer spürbaren Belebung in Willich geführt, sagt Erren. „Eigentlich ist Wekeln eine Schlafstadt. Aber die Kinder und Hausfrauen fahren je nach Bedarf zum Einkaufen nach Schiefbahn oder Alt-Willich.“ Die Anbindung über die Brücke sei optimal.

Ein kundenreicher Tag ist der Donnerstag in Willich. „Unser Wochenmarkt ist für viele ein festes Ziel. Die Kunden erledigen dann auch ihre anderen Einkäufe in der Stadt,“ beobachtet Erren.

Übers Jahr betrachtet sei der Dezember der umsatzstärkste Monat im Ort. „Aber bisher wurden auch die verkaufsoffenen Sonntage gut genutzt. Mal sehen, wie das künftig weiter geht,“ sagt der Einzelhändler, einer der wenigen „dieser Spezies“, die sich noch im Werbering engagieren.

Die Parkplatz-Situation in Alt-Willich beurteilt Erren als befriedigend. Das Parken rund um die Kirche St. Katharina werde kontrovers diskutiert. Zu „Autos raus aus der Innenstadt“ sagt Erren kategorisch: „Eine Fußgängerzone, um Gottes Willen: nein!“

Die Stadt hat in punkto Parken unterdessen Nachbesserungen angekündigt. Stadtplaner Steffen Bayerlein meint, dass man die Beschilderung Richtung Ortskern und das Parkleitsystem verbessern müsse. Auch die Verkehrssituation rund um St. Katharina und Richtung Zentrum müsse überprüft werden.

Mehr Cafés im Bereich der Kirche wären wünschenswert, sagt Erren. Auch Christel Holter sieht Außengastronomie als ein Instrument, den Stadtkern zu beleben.

Eine Empfehlung im Einzelhandelskonzept lautet: Der Willicher Einzelhandel muss verstärkt auf Kundenservice setzen — gemäß dem Grundsatz Der Kunde ist König. Das sieht Alfred Erren anders: „Viele Kunden sind keine Könige mehr. Sie beuten aus. Zurzeit beispielsweise beraten wir viele wegen der neuen Tornister. Sie kommen mit Kindern, probieren die Tornister an, sagen dann danke und auf Wiedersehen und kaufen im Internet.“ Da finde schon fast „Beratungsklau“ statt, sagt Erren. „Für uns Händler muss aber doch auch eine Win-Win-Situation entstehen.“

Willichs Einzelhändler spüren also nicht nur Krefeld, Mönchengladbach und Düsseldorf, sondern auch den Konkurrenz-Markt Internet.