Bombennacht vor 70 Jahren: Das Bild der Verbrannten bleibt im Kopf

Lieselotte Schubert aus der Elberfelder Südstadt hat die verheerende Bombennacht des 25. Juni 1943 als 17-Jährige erlebt.

Wuppertal. Wer die beiden Toten waren, lässt sich nicht erkennen. Bis zur Unkenntlichkeit sind die Körper in der Straße verbrannt, es können Nachbarn gewesen sein, Bekannte. Oder Fremde. Lieselotte Schubert beschreibt den Anblick der verkohlten Leichen — zwei von fast 2000 Opfern des Bombenhagels auf Elberfeld, in dem Menschen wie Fackeln brennen, Familien zerstört und große Teile des Stadtgebiets vernichtet werden.

„Es war ein warmer, sonniger Tag“, sagt Lieselotte Schubert über den 24. Juni 1943 — den letzten Tag des alten Elberfelds. Fast 18 ist die junge Frau aus der Südstadt in jenem Sommer; an diesem Donnerstagabend freut sie sich darauf, ihren Freund Ernst noch zu verabschieden. Dessen Urlaub geht zu Ende — „er hatte sich freiwillig zu den Fallschirmjägern gemeldet“. Die beiden kennen sich seit ihrer Lehrzeit bei der Barmenia.

Kurz nach Mitternacht wird die Familie in ihrem Haus an der Weststraße 24 aus dem Schlaf gerissen. „Gegen 0.30 Uhr kam der Alarm, sagt Lieselotte Schubert. „Das war erst mal nichts Ungewöhnliches. Wir gingen in den Keller.“ Oft schon haben die Elberfelder wichtige Papiere griffbereit halten müssen und in Kellern Platz genommen. Wie immer hoffen sie, erneut verschont zu werden.

Doch diesmal ist Elberfeld das Ziel von 630 britischen Bombern. Sie sollen im Laufe der Nacht mehr als 1000 Tonnen Spreng- und 1200 Tonnen Brandbomben über dem Zentrum abwerfen. „Als es losging, war uns klar, dass wir diesmal wohl nicht davon kommen würden.“

Und so ist es. Tausende Gebäude gehen in Flammen auf, auch das Mehrfamilienhaus an der Weststraße 24 wird von Brandbomben getroffen. Vom Dachgeschoss frisst sich das Feuer durch drei Etagen. In der Waschküche des Kellers sind vorschriftsmäßig Becken und Wannen mit Wasser gefüllt, „wodurch sich natürlich kein Brand aufhalten lässt“, sagt Lieselotte Schubert. „Doch wir haben damit unsere Mäntel befeuchtet, und mein Vater und ich sind raus, auf die Straße und durch die Flammen. Mit nasser Kleidung, die später trotzdem voller Brandlöcher war.“

Ganze Straßenzüge brennen, Menschen versuchen, den Flammen zu entkommen, laufen verzweifelt in die Wupper, suchen unter Brücken Schutz. Lieselotte Schubert und ihr Vater harren in der Unterführung zur Kluse aus. Dicht gedrängt zwischen vielen anderen verängstigten Menschen erwarten sie das Ende der Bombardements. Stunden später können sie sich zu Verwandten in der Wolkenburg retten.

Am frühen Morgen des 25. Juni liegt Elberfeld in Trümmern. Auch an der Weststraße steht nicht mehr viel. Mauerreste der zerstörten Häuser werden in den folgenden Tagen zu Botschaftern: „Überall waren mit Kreide Nachrichten für Angehörige und Freunde notiert, Mitteilungen wie ’Karl ist tot’ oder ’Wir sind in der Senefelder Straße.“

Berge von Schutt blockieren lange Zeit Straßen und Zugänge. „Wir mussten Umwege laufen, tägliche Fußmärsche von vier, fünf Kilometern waren ganz normal.“

Doch selbst im Chaos hält die Normalität nach und nach Einzug. Auch die Schwebebahn fährt schließlich wieder, abschnittweise. Als nach dem Krieg der Aufbau beginnt, stehen die 50er Jahre für zweckmäßigen Wohnungsbau im Zentrum. Nicht nur die Südstadt erhält ein vollkommen anderes Antlitz.

Die Erinnerungen an die Schreckensnacht bleiben. „Sie war lange Zeit ein Alptraum.“ Es sei richtig, die historischen Ereignisse heute zu würdigen, „damals war man einfach nur voller Dankbarkeit, dass das Leben leichter wurde — und besser“, sagt die Zeitzeugin über die Nachkriegszeit. Die Auseinandersetzung mit den Kriegsereignissen und die Gedanken an das Erlebte seien vielfach hintenangestellt worden, verdrängt: „Wir hatten genug gelitten.“

Ernst, dem jungen Fallschirmjäger, blieb die Ostfront erspart. „Nach dem Krieg hatten wir uns zunächst aus den Augen verloren“, sagt Lieselotte Schubert. „Doch dann gab es nach der Währungsreform eine Messe in der Stadthalle — und plötzlich standen wir einander wieder gegenüber.“ 1951 wird Hochzeit gefeiert, 1952 die erste gemeinsame Wohnung an der Ronsdorfer Straße 27 bezogen: Das Haus ist gerade fertig geworden.

56 gemeinsame Jahre haben die beiden, ziehen später ins Eigenheim an die Wupper.

Die Zeit eines Lebens ist vergangen seit der Zerstörung der Stadt. „Nein, ich träume nicht mehr von der Bombennacht“, sagt die Elberfelderin. Doch der Anblick der verbrannten Körper in der Straße ist der 87-Jährigen wie heute im Gedächtnis. „Immer, wenn ich im Fernsehen etwas von Feuern sehe oder von Brandopfern höre, dann habe ich wieder diese Bilder vor Augen.“