Loveparade-Helfer: „Wir wussten nur, dass es Tote gegeben hat“
Philipp Schmitt war einer der ersten, der die Verletzten bei der Loveparade versorgte. Ein Jahr danach erinnert er sich.
Duisburg. „Mein erster Gedanke auf der Rampe war, bist du dafür stark genug, schaffst du das? Der zweite Gedanke: Die Menschen brauchen dich. Dafür hast du trainiert“, erinnert sich Philipp Schmitt. Der 23-Jährige ist Gruppenführer des Malteser Hilfsdienstes Bad Honnef. Er und seine 30 Kollegen waren einer der ersten Rettungssanitäter am Unglücksort der Loveparade, die den Verletzten halfen.
Der 24. Juli 2010 begann für Philipp Schmitt eigentlich wie ein ganz normaler Einsatztag. Er und seine Kollegen bezogen um 10 Uhr morgens ihre Stellung unter einer Autobahnbrücke in Duisburg. „Wir waren als Einsatzreserve für die Loveparade eingeteilt“, erinnert sich der 23-Jährige. Alles blieb ruhig — bis etwa gegen 17 Uhr.
„Dann wurden wir plötzlich alarmiert. Wir sind sofort losgefahren. Unser Ziel war die Ostseite des Unglückstunnels. Während der Fahrt haben wir dann Infos erhalten. Kurz vor der Ankunft wussten wir, dass es wohl Tote gegeben hat. Aber nicht, dass es so viele sind.“
Als seine Gruppe den Unglücksort erreichte, stürmten die Menschen auf sie zu. Unzählige brauchten Hilfe. Er und seine Kollegen arbeiteten ruhig und konzentriert. „Wir haben die Schwerverletzten stabilisiert, damit sie schnellstmöglich in die umliegenden Krankenhäuser gebracht werden können. Die mittelschwer Verletzten wurden vor Ort versorgt“, erinnert er sich.
Insgesamt versorgten sie mit den Kollegen aus anderen Rettungsteams an diesem Nachmittag mehr als 340 Verletzte. Leider kam für 21 Menschen ihre Hilfe zu spät. Sie versuchten, sie zu reanimieren — aber erfolglos. „Wir haben Schlimmes gesehen. Alle Toten wurden erdrückt, das sagt alles“, so Schmitt. Mehr als dreieinhalb Stunden arbeiteten sie ohne Pause. „Dass wir so vielen so schnell helfen konnten, verdanken wir auch den vielen Freiwilligen“, so der Gruppenführer.
Um 20.30 Uhr waren alle Verletzten versorgt, ihr Einsatz beendet. Sie wurden zu einer Jugendherberge gebracht, wo die Helfer mit Essen und Getränken versorgt wurden. Langsam wurde ihnen klar, was sie erlebt hatten. Bei einem alkoholfreien Bier tauschten sie ihre Erfahrungen aus. „Das tat gut“, so der 23-Jährige.
Am Samstag, fast ein Jahr nach der Katastrophe in Duisburg, geht es ihm gut. Schmitt hat das Erlebte verarbeitet. „Ich habe mir gesagt, dass das mein Job war und ich Menschen helfen konnte. Und das ist doch gut“, meint der junge Mann. Er selbst geht am Sonntag nicht zu der Gedenkfeier, aber einige seiner Kollegen sind in Duisburg. „Ich will bei dem Trubel nicht dabei sein. Ich gehe lieber irgendwann noch einmal ganz allein zu der Unglücksstelle.“