Wahlkampf der Liberalen FDP richtet Kampagne auf Lindner aus

Berlin. Rechnen kann Christian Lindner natürlich auch. Also: 40 Prozent für CDU/CSU und 8 für seine FDP - die jüngste Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen stellt in der Tendenz eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag in Aussicht.

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Denn SPD, Grüne, Linke und AfD sind inzwischen zusammen nicht mehr stärker. Nicht zum ersten Mal in diesen Wahlkampfwochen öffnet sich ein Fenster für die immer noch bevorzugte Koalition der Liberalen - falls es zum Wiedereinzug ins Parlament reicht.

So ist es wohl kein Zufall, dass der FDP-Chef in einem aktuellen Interview die Tür zur Union ein Stück weiter aufstößt - und die SPD auf Distanz hält. „Die für uns wahrscheinlichste Zusammenarbeit wäre nach Lage der Dinge eine mit CDU und CSU, weil es da die größten inhaltlichen Überschneidungen gibt. Ich bedauere, dass sich die Sozialdemokraten vom Kurs eines Gerhard Schröder sehr weit entfernt haben und sich damit die Gemeinsamkeiten mit der FDP reduzieren.“

Träumt da einer, dessen Partei seit 2013 nicht einmal im Bundestag sitzt, vom ganz großen Coup - der Regierungsbeteiligung an der Seite einer CDU-Kanzlerin Angela Merkel? Zuzutrauen ist es dem smarten Ober-Liberalen selbstverständlich, trotz offizieller Nichtfestlegung auf ein bestimmtes Bündnis.

Am Montag, bei der von plötzlich wieder riesigem Medieninteresse begleiteten Präsentation der FDP-Wahlkampagne am Brandenburger Tor in Berlin, wiederholt Lindner jedoch sein Mantra - dass nämlich „ausweislich der Entwicklungen und der Zahlen eine große Koalition nach meinem Dafürhalten die wahrscheinlichste Konstellation nach der Bundestagswahl ist“. Für den Parteichef der „außerparlamentarischen Opposition“ eine Perspektive, die viele Wähler abschrecken soll.

Im übrigen: „Wir sind nicht im Bundestag“, betont Lindner. „Und wie schnell sind die Stimmungen in Deutschland auch gedreht worden in den letzten Monaten.“ Die FDP denke erst einmal nur bis zum Wahltag am 24. September und nicht an die Regierung. „Ein bisschen Bescheidenheit ist schon angesagt.“ Auch von einer neuen „Demut“ hat Lindner früher bereits gesprochen angesichts eines FDP-Images als großspurige, oft laute Partei der Besserverdienenden.

In den vergangenen Wochen hatte der Parteichef der spätestens seit ihren Wahlerfolgen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wieder heftig umworbenen FDP versucht, in die eine wie die andere Richtung zu blinken. So lobte Lindner das entschiedene Eintreten der Grünen für die Ehe für alle - und machte der CDU-Chefin und Kanzlerin damit deutlich, dass die FDP hier auf der Gegenseite stehe. Andererseits bekamen die Sozialdemokraten und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz für ihre „Agenda 1995“, wie Lindner die SPD-Pläne bezeichnet, immer wieder ätzende Kritik zu spüren.

Die fünf Millionen Euro teure FDP-Wahlkampagne mit dem appellativen Titel „Denken wir neu“ will nun das Ende April beschlossene Programm in den Mittelpunkt stellen, um sich - so Generalsekretärin Nicola Beer - von den Kurzformeln und Phrasen der Konkurrenz abzusetzen. Überraschend viel Text findet sich auf den Großflächenplakaten, außerdem Überschriften wie „Manchmal muss ein ganzes Land vom 10er springen“ oder „Ungeduld ist auch eine Tugend“.

Vor allem aber bietet die Wahlkampfoptik: Lindner, Lindner, Lindner. Abgelichtet vom bekannten deutschen Fotografen Olaf Heine - Fünf-Tage-Bart, offenes weißes Hemd, mal mit und mal ohne Sportsakko. Den Eindruck, die FDP anno 2017 sei eine reine One-Man-Show, wird man so eher nicht los. Auf entsprechende Vorhaltungen sagt der 38-Jährige: „Gegenfrage: Wie halten das CDU und SPD? Wir halten es genauso“ - nämlich indem der Spitzenkandidat plakatiert werde.

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Über 6000 Großflächenplakate haben die FDP-Gliederungen bereits bestellt, und das sei „noch nicht das Ende der Fahnenstange“, heißt es aus der Zentrale der allein dieses Jahr um 6000 auf 58.000 Mitglieder angewachsenen Liberalen. Lindner freut sich spürbar auf die Zugpferd-Rolle, mit der er in NRW schon erfolgreich war, wo er die FDP im Mai in die Landesregierung führte.

Dennoch wiegelt er am Montag ab: „Der Eindruck wäre falsch, dass das alles auf meinen Schultern liegt.“ Er will sich eine gewisse Lockerheit auch in den kommenden, entscheidenden Wochen bewahren: „Wie bereite ich mich vor?“, sagt er auf eine entsprechende Frage zu seiner Wahlkampf-Fitness. „Ich mach' Urlaub.“ Jetzt freue er sich erst einmal auf die Ruhetage mit Ehefrau und Freunden auf Mallorca. dpa