Bundestagswahl Pöbeleien gegen Grünen-Frontfrau Göring-Eckardt beim Wahlkampf in Düsseldorf

Auf dem Heinrich-Heine-Platz in Düsseldorf stellt sich die grüne Spitzenkandidatin Göring-Eckardt den Fragen des Einkaufspublikums - und den Beschimpfungen einer Biodeutschen.

Katrin Göring-Eckardt in Düsseldorf.

Foto: Ekkehard Rüger

Düsseldorf. „Triff Katrin“, fordern Plakate die vorbeiströmenden Innenstadtbesucher auf dem Heinrich-Heine-Platz auf. Katrin ist auch schon da und wird gerade verkabelt. Man kann sie nicht übersehen - weil sie die Einzige ist, die sich der Leitfarbe ihrer Partei verweigert. Grüne Jacken, grüne Segel, grüne Hussen über den Stehtischen, grüne Wahlplakate, ein kleines grünes Rundpodest. Und darauf eine 51-jährige Spitzenkandidatin, die in Grau und Schwarz für die Grünen wirbt - und für Schwarz-Grün.

Gleich die erste Publikumsfrage zielt danach. „Man hatte den Eindruck, dass die Grünen 2013 gar nicht versucht haben, in die Regierungsverantwortung zu gehen.“ Ob sie denn jetzt willens seien, will eine Frau wissen. Man habe schon 2013 beim Sondieren hart verhandelt, entgegnet Göring-Eckardt. Und auch diesmal würden das „sehr, sehr harte Gespräche“.

„Aber wir sind die erste Generation, die die Klimakrise spürt, und die letzte, die was ändern kann“, will sie den Ernst der grünen Ambitionen untermauern. Das klänge noch etwas authentischer, stünde der Satz nicht auch schon hervorgehoben auf der Seite drei der Wahlkampfzeitung, die auf den Stehtischen ausliegt. Die Fraktionsvorsitzende spricht vom unberechenbaren Horst Seehofer, vom Ausstieg aus der Braunkohle und dem einen fünffachen Grund, wegen dem sie es wenigstens versucht haben will mit der Regierungsbeteiligung: „meinen fünf Enkelkindern“. Später wird sie noch sagen: „Die Schwarzen brauchen Druck.“ Natürlich vom grünen Koalitionspartner. Von der SPD spricht sie nicht.

Dafür von der FDP und Christian Lindner. Das sind die Konkurrenten im Kampf um Platz drei. Und die mit mehr Minijobs, mehr Leiharbeit und einer Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Mit der Heraufsetzung von Grenzwerten. Und einem Spitzenkandidaten, der einkommensschwachen Mietern angesichts überhöhter Mieten weltfremd empfiehlt: „Kaufen Sie doch eine Wohnung.“ Die FDP und Lindner - das ist für Göring-Eckardt die lästige Staffel auf der Nachbar-Laufbahn, die sie auf der Zielgerade der Bundestagswahl unbedingt hinter sich lassen will.

Aber auf diesem Weg bloß nicht dozieren, nicht zutexten, kein Frontalunterricht der Lehrerpartei. „Sie gestalten diese Stunde“, animiert die Moderatorin und Düsseldorfer Bundestagskandidatin Paula Elsholz das Einkaufspublikum an diesem späten Samstagnachmittag. Göring-Eckardt sucht den Dialog. Die Bierbänke sind rund um das Podest aufgestellt, die Zuhörer stehen im Halbrund, die Kandidatin dreht sich bei ihren Antworten immer den jeweiligen Fragestellern zu. Das funktioniert gut. Sie wirkt nahbarer als bei manchem Fernsehauftritt - auch wenn sie mit der Routine des Politprofis am Ende zusätzlich immer die Kernbotschaften unterbringt, nach denen niemand gefragt hatte.

Die fünf Enkelkinder sind dabei nicht das einzig Persönliche, das sie in die Waagschale wirft. Freiheit? „Die letzten beiden, die mir vorschreiben wollten, was ich zu denken und zu sagen habe, waren mein Vater und Erich Honecker.“ Dieselskandal? „Einige meiner besten Freunde haben Diesel gekauft und fragen mich jetzt: Sagt ihr Fahrverbot? Nein, ich sage nicht Fahrverbot.“ Aber die Autoindustrie müsse die Wagen so nachrüsten, dass sie die Grenzwerte auch unter Realbedingungen einhielten.

Die Publikumsdiskussion plätschert so dahin, die Fragen sind nicht unkritisch, aber die Atmosphäre höflich bis wohlwollend. Da grätscht dann doch eine Frau verbal dazwischen: „Wann setzen Sie sich mal wieder für die Interessen der Deutschen ein und nicht nur der Migranten?“ Peng! Ein paar Buhrufe, Göring-Eckardt hebt zu einer Entgegnung an, aber die Frau ist nicht mehr zu bremsen, ihre Stimme wird schriller und schriller. „Sie hetzen gegen die katholische Kirche, aber beim Islam treten Sie zurück!“ „Sie sind verlogen!“ Und dann, vor dem Abgang, noch der letzte Angriff: Die Grünen seien ja nur deshalb so auf die Migranten fixiert, „weil sie die Stimmen der Biodeutschen nicht mehr bekommen“. Die Provokation mit den Biodeutschen klingt allerdings unfreiwillig komisch an einem grünen Wahlstand, an dem frisch gepresste Obstsäfte und vegetarische Teigtaschen angeboten werden und von der Spitzenkandidatin gerade noch die Forderung nach der Kennzeichnung von Biofleisch analog zu den Hühnereiern erhoben worden war.

Die Stunde ist vorbei. Ein paar Autogramme, als Erstes für die Kinder, dann kommen die Selfies. Der grüne Hybrid-BMW mit Göring-Eckardts Konterfei („Mut als Motor, Zukunft als Ziel“) steht schon am Rande des Platzes in Fahrtrichtung. Das Ziel heißt in diesem Fall allerdings nur: Flughafen. Von dort geht es zurück nach Berlin. Vorher hat sie ihr Publikum noch eingeschworen, pro Person noch zehn bis 20 Menschen zu überzeugen, zur Wahl zu gehen. Beim Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz drei geht es für die Grüne um jede Stimme. „Das ist eine Richtungsentscheidung.“