Das Fotoalbum vor der Geburt
Videos und Fotos auf Kissen, Lätzchen und Tassen — das Geschäft mit dem Fötus wächst.
Düsseldorf. Wenn stolze Eltern Fotos ihres Kindes herumzeigen wollten, mussten sie früher bis nach der Geburt warten — oder auf die verschwommenen Ultraschall- Schwarz-Weiß-Aufnahmen zurückgreifen. Diese Zeiten sind vorbei. Wer Fotos seines Ungeborenen haben möchte, kann diese dank realitätsnaher 3-D-Ultraschall-Technik mittlerweile in bester Qualität bekommen. Das Angebot wächst: Fotos des Ungeborenen auf Kissen, Lätzchen, Tassen, Schlüsselanhängern — kein Problem mehr. Auch Videofilme können die werdenden Eltern erhalten. Das Geschäft mit dem Fötus boomt. Es ist unter anderem eine Frage des Geldes.
„Der Bereich Ultraschall hat eine Revolution durchlaufen“, sagt Gynäkologe Klaus Vetter, Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin Berlin-Neukölln und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. „Das Geschäft mit dem 3-D-Ultraschall kann man als Trend bezeichnen. Er ist allerdings noch nicht in der Breite der Gesellschaft angekommen, weil das Angebot nicht für jeden etwas ist. Es ist alles eine Frage des Geschmacks.“ Notwendig seien die Fotos und Videos nicht, denn sie gehen weit über den medizinischen Bedarf hinaus. Ultraschall-Termine gebe es in ausreichendem Maße beim Gynäkologen. „Diagnostisch gibt es durch 3-D-Ultraschall Vorteile, aber kein Mensch braucht dutzende 3-D-Aufnahmen des Ungeborenen zu Hause. Aber wenn es die Möglichkeit gibt, wird eben auch eine Begehrlichkeit bei den werdenden Eltern erzeugt.“
In den USA gibt es bereits seit längerem „Fötus-Partys“, bei denen die gesamte Verwandtschaft zusieht, wie das Ungeborene gähnt, vermeintlich lächelt oder die Stirn runzelt — auch ohne Anwesenheit von medizinisch ausgebildetem Personal, beispielsweise in Shopping-Centern. „In Deutschland ist das in diesem Ausmaß schwer vorstellbar, weil es die qualifizierten Untersuchungen beim Gynäkologen gibt“, sagt Vetter.
Bei „Baby 4D“ in Erfurt ist das Ultraschall-Studio beispielsweise an die gynäkologische Praxis angeschlossen. „Wir haben Deutschlands erstes 3-D-Ultraschall-Studio vor sieben Jahren eröffnet, weil die Zeit in der normalen Sprechstunde für Fotos manchmal knapp wurde, wenn das Kind nicht richtig lag“, sagt Andreas Brückmann, Facharzt für Frauenheilkunde, Geburtshilfe, Pränataldiagnostik und Leiter von „Baby 4D“. „Die Schwangeren waren dann so enttäuscht, das hat uns leid getan.“
Eine ausgebildete Krankenschwester übernimmt den Ultraschall, eine Sitzung dauert etwa 20 Minuten (Kosten siehe Kasten) — es hängt auch von den Schlaf- und Wachphasen der Ungeborenen ab.
Die besten Bilder entstehen in der 20. bis 30. Schwangerschaftswoche, wobei einige werdende Mütter mehrmals kommen, um den Schwangerschaftsverlauf genau dokumentieren zu können. „Die menschliche Neugier sorgt dafür, dass die werdenden Eltern genau wissen wollen, wie das Kind aussieht. So können sie auch eine stärkere Bindung entwickeln“, berichtet Brückmann. Was ja auch ein Nachteil sein kann — denn was ist, wenn bei der Geburt etwas schief geht? Brückmann sagt: „Das ist stets hochdramatisch, es liegt in der Natur der Sache. Es ist immer ein großer Verlust, egal ob man die Fotos als Erinnerungen hat oder nicht.“
Unabhängig von möglichen Nachteilen nutzen immer mehr Frauen das Angebot. Meist kommen die Schwangeren mit Partner und Geschwisterkindern, seltener mit den Eltern und Schwiegereltern und ganz selten auch mit einer großen Gesellschaft. Die Atmosphäre ist entspannt: „Die Mütter sind fasziniert, weil sie sich nicht vorstellen können, was die Ungeborenen für ein Remmi-Demmi im Bauch machen“, sagt Brückmann. Die Kinder drehen sich um die eigene Achse, ziehen Grimassen, nuckeln am Daumen — und das alles lebensecht und klar erkennbar. „Das ist eine schöne Erinnerung, auch für die Kinder selbst: eine Art Fotoalbum vor der Geburt“, meint Brückmann.
Davon berichtet auch Petra Wallasch, Geschäftsführerin von „Reality Service“. Sie druckt 3-D-Modelle, beispielsweise Schlüsselanhänger und Büsten mit Gesichtern von Ungeborenen (Fotos: Reality Service). Vorlagen sind die 3-D-Ultraschall-Bilder, die der Frauenarzt liefert. „Es ist schön, nach der Schwangerschaft eine Erinnerung an das ungeborene Leben schon vor der Geburt zu haben“, sagt sie. „Meine Nachbarin hat das machen lassen, ihre Tochter ist jetzt vier. Und die beiden gucken sich das Modell immer wieder gerne zusammen an.“