Physiker Benjamin Semburg arbeitet in der Antarktis
Benjamin Semburg ist Physiker aus Leidenschaft. Für 19 Tage nahm er die Strapazen der Antarktis in Kauf.
Haan. Gerade einmal 19 Tage dauerte der härteste Winter, an den sich Benjamin Semburg sein Leben lang erinnern wird. Dabei war es — meteorologisch genau genommen — noch nicht einmal Winter, als der gebürtige Haaner im Oktober 2007 zu seiner spannendsten Reise aufbrach — zum Südpol. Am südlichsten Punkt der Erde herrschen dann mit minus 40 Grad für dortige Verhältnissse fast frühlingshafte Temperaturen.
Schuld an dieser ungewöhnlichen Reise in die Kälte war der mögliche Ursprung der kosmischen Strahlung sowie ein exotisches Elementarteilchen namens Neutrino. Benjamin Semburg hatte an der Uni Wuppertal sein Diplom in Physik gemacht und arbeitete damals dort im Bereich Astroteilchenphysik an seiner Promotion.
Die Reise an den Südpol hatte aber gar nicht so viel mit seiner eigenen Doktorarbeit zu tun. „Ich habe damals einen Kollegen bei seiner Promotion unterstützt“, sagt Benjamin Semburg. Zur Aufgabe gehörte, die Computer des Ice Cube-Projektes zu überwachen (siehe Kasten).
Sechs Tage — vom Abflug in Düsseldorf an — dauerte Semburgs Anreise, um zur Amundsen-Scott-Station zu gelangen. Auf dem Vorposten in Neuseeland musste er diverse medizinische Checks über sich ergehen lassen. Körperlich fit, empfahl man ihm doch, vorsichtshalber seinen letzten Weisheitszahn entfernen zu lassen. In der Antarktis-Station gibt es zwar Ärzte, aber keinen Zahnarzt. „Der Zahn hätte ohnehin bald rausgemusst“, nahm Semburg den Eingriff gleichmütig hin.
Eine Hercules-Maschine brachte Semburg dann ins ewige Eis. „Die ersten zwei Tage war ich wie verkatert wegen der Höhenlage.“ Da sich die Südpolstation aufgrund des Gletschereises auf 3000 Meter Höhe befindet, schlich sich auch noch die unter Bergsteigern bekannte Höhenkrankheit ein. „Und es ist 24 Stunden lang hell. Da muss man erst mal seinen Rhythmus finden“, erinnert sich Semburg. „Es war nur ungewöhnlich, beim Zähneputzen am Abend die Sonne im Rücken zu spüren.“
Der Südpol tat anfangs alles, um dem Physiker aus Deutschland den Spaß an der Arbeit zu verleiden. Von wegen Frühling. „Während der ersten acht Tage herrschten Temperaturen von bis zu minus 60 Grad, Schneestürme mit Windstärke sechs sorgten dafür, dass die Sicht gegen Null ging. Die Luft war absolut trocken“, so Semburg.
Bei einem Ausflug in die Kälte habe er sich gewagt, die Kapuze seiner Polarjacke etwas länger abzunehmen. „Mein Ohr war binnen kürzester Zeit so gut wie abgefroren.“ Diagnose: Gefrierbrand.
Am Ende seines Aufenthaltes zeigte sich der Frühling in der Antarktis doch noch von seiner zauberhaften Seite: wolkenfreier Himmel und Sonnenschein bei minus 30 Grad.
Das Leben in der Station war spartanisch, die Freizeitgestaltung beschränkte sich auf einen großen Aufenthaltsraum mit Billardtisch sowie ein Videozimmer und eine Bibliothek. „Da war man froh, wenn es mit der Arbeit mal etwas länger dauerte“, erinnert sich Semburg. Gab es Heimweh nach Hause? Telefonieren übers Internet mit der Webcam half ihm ein wenig. Dennoch sei es ihm schwergefallen, am anderen Ende der Welt zu sein, gibt Benjamin Semburg zu. „Ich bin eben ein Familienmensch.“
Den zweifachen Familienvater (31) hat es mittlerweile nach Lüdenscheid verschlagen, wo er als Mechatronikentwickler in der Automobilindustrie arbeitet. „Ich habe aber den Wunsch, auch noch einmal zum anderen Pol zu reisen. Es gibt die Möglichkeit, privat mit einem Eisbrecher zum Nordpol zu kommen.“