Serie Patchwork-Expertin: „Man kann sich als Einheit fühlen“
Düsseldorf · Die zusammengewürfelte Familie hat ihre eigenen psychologischen Herausforderungen und Stolperfallen.
Als Katharina Grünewald ihren Mann kennenlernte, hatte er schon zwei Kinder – gerade ein und sieben Jahre alt. Sie ging sehr naiv an die ganze Sache heran, aber plötzlich wurde es mit ihrem Stiefsohn immer schwieriger. Sie fand das Kind unverschämt – aber Papa war natürlich immer auf dessen Seite.
Zu ihrem Glück war Grünewald als Psychologin damals in der Therapieausbildung – und die beinhaltet, dass man sich zwecks Selbstreflexion auch auf die Couch legt und analysieren lässt. So konnte sie die Stolperfallen in ihrer neuen Familie aufarbeiten und spezialisierte sich kurzerhand selbst auf die Beratung von Patchwork-Familien. Inzwischen sagt sie, sie habe „zwei bis vier Kinder“ – ihre Stiefkinder sind 19 und 24 Jahre alt, ihre eigenen 13 und 16. Und ihr Buch „Glückliche Stiefmutter“ ist soeben in zweiter Auflage erschienen.
Grünewald kennt die vielfältigen Stolperfallen einer Patchwork-Familie. Etwa für die Stiefmutter – mit der Grünewald oft arbeitet: In vielen Fällen versuche diese, die bessere Mutter zu sein. „Dieses Rennen wird man nicht gewinnen“, warnt die Expertin. Zweiter Hauptfehler: Die Frau trete um die Aufmerksamkeit ihres Partners in Konkurrenz zu den Kindern. Aber auch das Elternteil, das zwischen der alten und der neuen Familien eine „Scharnierfunktion“ einnehme, fühle sich oftmals aufgerieben.
Und dann sind da natürlich die Kinder. Für sie zerfalle die klare Einheit von Vater-Mutter-Kind zunächst in Mutter-Kind und Vater-Kind. Und in der Patchwork-Familie gebe es dann gar eine Art „Netzstruktur“. Das sei verwirrend, aber: „Wenn ich es positiv ausdrücken will: Das Kind hat die Chance, Beziehungen zu lernen – und zwar außerhalb von Rollenmustern“, sagt Grünewald. Die „Hauptgefahr“ sehe sie für die Kinder, wenn diese in einen Loyalitätskonflikt gerieten: Sie fühlen sich zum Besipiel bei Papa und der Stiefmama wohl, aber wenn sie das Mama wissen lassen, ist die schrecklich verletzt. „Das macht es den Kindern schwer“, warnt die Psychologin.
Wichtig findet Ulric Ritzer-Sachs von der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (BKE), dass den Kindern erlaubt wird, immer alles zu erzählen – gleich ob es um schöne Erlebnisse oder mögliche Streitfaktoren zwischen den Erziehenden geht. Und diese sollten den anderen vor dem Kind nie abwerten. „Dann ist das Allerwichtigste getan“, rät der Experte.
Generell seien offene Kommunikation und klare, verlässliche Absprachen das A und O für das Gelingen einer Patchwork-Familie. Dazu gehöre auch, den Kindern Fragen über die eigene Familiensituation ehrlich zu beantworten, das Gespräch darüber auch ruhig anzubieten. „Aber nicht drängen und bohren“, warnt Ritzer-Sachs. Wenn die Mutter und die Stiefmutter beziehungsweise Vater und Stiefvater ein „kollegiales Verhältnis“ hinbekämen, wäre das für alle Beteiligten ein Gewinn. „Wenn aber nicht, dann lieber gar kein Kontakt“, so der Berater.
Dass sich alle Mitglieder der Patchwork-Familie irgendwann als eine große Familie begreifen, hält Grünewald für wenig wahrscheinlich. Oft lässt sie die Menschen in ihrer Beratung Bilder von ihrer Familie malen – und sieht, dass für jeden unterschiedliche Mitglieder dazuzählen. „Man hat nicht mehr die klar definierte Familie“, sagt sie. „Aber man kann sich als Einheit fühlen.“ Auch Ulric Ritzer-Sachs glaubt: „Für diese Dinge gibt es keine Garantie.“ Aber: „Ich kann die Voraussetzungen dafür schaffen.“