Trekkingausflug nach Hau Thao

Sho hat mich ganz schüchtern auf der Straße angesprochen. Ihre farbenfrohe Kleidung war zu dem Zeitpunkt noch neu für mich. Nach zwei Tagen in Sapa habe ich inzwischen jede Menge Frauen in der Stammeskleidung der Minderheit der H'Mong gesehen.

Der Trek in die Berge ist beliebt bei Backpackern - WZ-Redakteurin Juliane Kinast ist derzeit in Vietnam unterwegs.

Ob ich trekken gehen wolle, fragte sie. Und ich wollte. Der Reiseführer empfahl ohnehin, sich einen Minderheiten-Führer zu suchen, um sie ökonomisch zu unterstützen, und Sho und ich waren sofort auf einer Wellenlänge. Also verabredeten wir, uns am Tag danach morgens an der Kirche zu treffen, wo sich alles in Sapa trifft. "Pinky Promise!", verlangte die 26-Jährige und wir hakten unsere kleinen Finger ineinander wie Teenager-Freundinnen. Der Deal war perfekt.

Der Trek in die Berge ist beliebt bei Backpackern - WZ-Redakteurin Juliane Kinast ist derzeit in Vietnam unterwegs.

Der Trek in die Berge mit den H'Mong-Frauen ist beliebt bei Backpackern, die unabhängig reisen und nicht viel Geld ausgeben wollen - das stelle ich schnell fest. Mehrere Gruppen junger Reisender bewegen sich mit ihren Führerinnen und uns den steilen Hang hinter Sapa hinauf. So geht es weiter bis zum Mittagessen, das offenbar für sämtliche Hiking-Gruppen in einer einzigen Bergstation gekocht wird - zumindest sehr frisch und lecker.

Der Trek in die Berge ist beliebt bei Backpackern - WZ-Redakteurin Juliane Kinast ist derzeit in Vietnam unterwegs.

Doch ich bin diesmal das einzige Mitglied in Shos Gruppe. Und so sind wir nur noch zu zweit, als wir ihr Dorf Hau Thao erreichen. Ihre Kinder Joe und Cha rennen sofort begeistert auf uns zu und untersuchen die Taschen ihrer Mutter nach mitgebrachten Süßigkeiten. Sie finden kleine Nusstaler mit Honig - und Cha kommt sofort zu mir, um auch mir einen anzubieten.

Trekkingführerin Sho mit ihren Kindern im Dorf Hau Thao

Hau Thao ist ein kleines Paradies zwischen Reisterrassen und Maisfeldern. Der Weg dorthin führt durch einen Wald aus gigantisch hohem Bambus und an einem kleinen Wasserfall vorbei, in dem Kinder plantschen und ältere Jungs gerade Wäsche waschen. Ich werde bei Shos Mutter schlafen, die ein großes Haus hat. Aber es ist noch nicht an der Zeit. Erst schauen wir bei ihrer Schwägerin vorbei, die gerade Feuerholz unter ein großes Fass schiebt. "Happy Water", grinst Sho. Fröhliches Wasser.

Der Reiswein muss eine Woche gären, bevor er getrunken werden kann.

Ich erlebe den Brauprozess des berüchtigten Reisweins der vietnamesischen Bergvölker. Das gekochte Reiswasser gärt sieben Tage in einem großen, pinken Plastikeimer vor sich hin und kommt dann wieder aufs Feuer. Was herauskommt, ist eine milchige Brühe, die schwer nach Wunddesinfektion und ein ganz kleines bisschen nach Reis schmeckt. "Nach dem Dinner feiern du und ich eine Party", verspricht Sho und lächelt verschwörerisch.

Der Reiswein kocht über dem Feuer.

Im Haus ihrer Mutter herrscht ein Leben, das es so wohl nur in Großfamilien gibt. Sho hat sechs ältere Brüder. In den H'Mong-Familien, erklärt sie mir, werden so lange weiter Kinder gekriegt, bis ein Mädchen zur Welt kommt. Dann ist Schluss. Wie sie das kontrollieren, sagt sie nicht - und ich mag nicht fragen. Dass die Regel nicht sehr streng befolgt wird, zeigt allerdings die Familie von Shos Happy-Water-Schwägerin, die mir ganz eindeutig eine etwa vierjährige Tochter vorgestellt hat - und gleich danach ihr 40 Tage altes Baby. Sho selbst, die einen Jungen und ein Mädchen hat, sagt, sie will eigentlich noch 20. Aber sie könne sich die Schule dann nicht leisten. Hau Thao hat nur eine kleine Grundschule. Zur weiterführenden Schule müsste sie ihre Kinder nach Sapa aufs Internat schicken. Und das ist teuer. Sie will es Joe und Cha aber gern ermöglichen. Eine beachtliche Entscheidung für eine Frau, die selbst nicht richtig lesen und schreiben kann. Ihr Vater starb, als Sho zehn war - und von da an wurde sie auf dem heimischen Feld gebraucht; für Schule war keine Zeit mehr.

Während meines Aufenthalts übernachte ich im Haus von Shos Schwägerin

Auf einem kleinen Gasofen kocht Sho uns ein riesiges Dinner und öffnet dazu die 1,5-Liter-Wasserflasche, die jetzt mit Reiswein gefüllt ist. Immer und immer wieder stößt sie mit mir an. Irgendwann kommen zwei ihrer Freundinnen hinzu. Es wird weiter angestoßen. Dann schaut auch der Sohn ihrer Schwägerin - vielleicht zwölf oder 13 Jahre alt - mal vorbei und nimmt ein Gläschen. Wie immer gebe ich mir Mühe, nicht zu bewerten, sondern zu beobachten und teilzuhaben. Und ich muss sagen: Obwohl ich Sorge hatte, als einzige Touristin in dem H'Mong-Haushalt unterzukommen, habe ich eine tolle Zeit. Und irgendwann so gewaltig einen im Tee, dass ich wie ein Stein auf die bunten Decken meines Bettes falle.