VfL sendet ein Lebenszeichen Die Aufgeblühten aus Bochum

Bochum · Der VfL Bochum sendet ein Lebenszeichen, auch ob Heckings Idee mit einem zuvor Aussortierten. Kann der neue Trainer alles umkehren?

Die Bochumer Spieler jubeln nach dem Tor zum 1:1.

Foto: dpa/David Inderlied

Normalerweise freut sich Gerrit Holtmann auf die Reisen zur Nationalmannschaft der Philippinen, diese Woche aber würde der Linksaußen des VfL Bochum auf den Flug zum Freundschaftsspiel in Hongkong lieber verzichten. Im Sommer 2022 hat sich der gebürtige Bremerhavener entschieden, für das Land seiner Mutter aufzulaufen und seitdem vier Partien im Trikot der „Azkals“ bestritten. „Besonders die beiden jüngsten Länderspiele im Oktober in Thailand und in Tadschikistan haben mir sehr geholfen, um im Rhythmus zu bleiben. Jetzt allerdings wäre es schöner, wenn es in der Bundesliga weiterginge“, sagte Holtmann nach dem 1:1 gegen Meister Bayer 04 Leverkusen.

Hecking:
„Ich will Platz 15.“

Unter Peter Zeidler als Vorgänger des neuen Trainers Dieter Hecking hatte Holtmann keine Rolle gespielt, bei den ersten sieben Partien war er komplett außen vor. Schon unter Zeidlers Vorgänger Thomas Letsch stand der 29-Jährige auf dem Abstellgleis und sollte sich im Sommer nach seiner Ausleihe zum SV Darmstadt 98 endgültig einen neuen Verein suchen. Ein Transfer aber kam nicht zustande, nun zauberte ihn Hecking aus dem Hut und das zur Überraschung aller auf einer völlig neuen Position. Als der mit 36,74 km/h bisher schnellste jemals gemessene Bundesliga-Akteur sollte Holtmann in einer Fünfer-Abwehrkette die Kreise des flinken Jeremie Frimpong einengen.

Das gelang. Wie auch die gesamte Mannschaft blühte Holtmann auf und sein ganzes Lob dafür galt Dieter Hecking. „Er hat unglaublich viel Erfahrung und ihn umströmt eine gewisse Aura. Er gibt dir Dinge an die Hand und du glaubst sie ihm einfach“, sagte Holtmann. Hecking habe durch Kommunikation eine Blockade im Kopf gelöst, welche die Mannschaft nach nur einem Punkt aus neun Spielen immer mehr lähmte. Nun hofft Holtmann für das Team und sich selbst, dass dieses Remis gegen Leverkusen zum Wendepunkt der bisher so missratenen Saison wird.

„Azkal“ als Spitzname der philippinischen Nationalmannschaft heißt übrigens Straßenhunde. Als solche müssen sich Holtmann im speziellen sowie die gesamte Mannschaft im allgemeinen nach den vergangenen Wochen gefühlt haben. Doch gelingt dem VfL die Verwandlung vom Straßenhund zu einem eleganten Dalmatiner mit ganz vielen Punkten auf dem Fell wirklich? Bei aller Freude über den leidenschaftlichen Auftritt gegen den deutschen Meister steht unter dem Strich das zehnte sieglose Spiel in Folge, nie sind die Bochumer derart schlecht in eine Saison gestartet.

Zwei Punkte auf dem Konto und sechs Zähler Rückstand auf Platz 16, die angesichts eines Torverhältnisses von minus 20 eher sieben sind. Der vierte Klassenerhalt in Folge käme angesichts dieses Starts durchaus einem kleinen Wunder gleich. „Die Leistung aus dem Leverkusen-Spiel brauchen wir jetzt noch weitere 24mal“, sagte Hecking. Mit Relegation vielleicht auch 26mal, doch davon möchte der 60-Jährige zumindest noch nichts wissen. „Ich werde alles versuchen, um über beiden Strichen zu landen. Ich will Platz 15.“

Doch was soll Hecking auch anderes sagen? Der gebürtige Castrop-Rauxeler muss dem Umfeld Mut machen sowie die verunsicherte Mannschaft mental wieder aufrichten. Gegen Leverkusen klappte dies, weil es als krasser Außenseiter nichts zu verlieren gab. Dies könnte auch im nächsten Spiel beim VfB Stuttgart noch einmal helfen. Danach jedoch braucht es bis Weihnachten beim FC Augsburg, gegen Werder Bremen, bei Union Berlin sowie gegen den 1. FC Heidenheim mehr als nur Leidenschaft. Es braucht eine konstant stabile Defensive sowie einen Angriff, der Treffer für Siege in dieser Liga erzielt.

Viele Nebenkosten lassen wohl keine Winter-Transfers zu

Das alles dann wohl auch in der Rückrunde mit dem vorhandenen Personal, denn Geld für mögliche Winter-Verstärkungen ist kaum vorhanden. An gleich fünf nicht mehr beschäftigte Personen muss der VfL weiter Gehalt überweisen. Neben den beurlaubten Trainern Thomas Letsch und Peter Zeidler stehen auch der entlassene Sportdirektor Marc Lettau, der freigestellte Team-Manager Hannes Hahn sowie der nicht mehr berücksichtigte Torhüter Manuel Riemann noch auf der Lohnliste. Auf diese wurde nun der neu geholte Hecking-Assistent Marc-André Kruska gesetzt.

Da neben dem im Sommer ausgeschiedenen Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian aktuell auch der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis aus gesundheitlichen Gründen seine Ämter ruhen lässt, liegt zudem die Last des Handelns derzeit allein auf den Schultern von Finanz-Geschäftsführer Ilja Kaenzig.

Nicht ausgeschlossen, dass der in den vergangenen vier Jahren als Sportdirektor beim 1. FC Nürnberg tätige Hecking auch hier gefordert sein wird. Es ist ein stürmischer Herbst an der Castroper Straße und das beachtliche Remis gegen Leverkusen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Für den erneuten Klassenerhalt benötigt der VfL Bochum von nun an eine fast perfekte Saison.