Sensationeller Auftritt Die verrückte Geschichte von Viktoria Kölns Pokalheld
KÖLN · Von Werder Bremen ausgebildet, schießt Viktoria Kölns Angreifer David Philipp seinen Ex-Verein aus dem DFB-Pokal
Ausgerechnet David Philipp hat Werder Bremen bereits in der ersten Runde aus den Träumen einer langen Reise im DFB-Pokal gerissen. Von 2014 bis 2020 hatte der Angreifer bis hin zur zweiten Mannschaft in der Regionalliga Nord den Nachwuchs der Grün-Weißen durchlaufen, eine Chance bei den Profis allerdings bekam er nicht. Nach einer einjährigen Ausleihe zu ADO Den Haag war er 2021 an Viktoria Köln verkauft worden, am Samstag nun traf der 23-Jährige gegen seinen Ex-Verein beim 3:2 (0:1) gleich zweimal. „Genugtuung wäre das falsche Wort. Aber ich hatte mir schon vorgenommen zu zeigen, dass es ein Fehler war, mich ziehen zu lassen“, sagte Philipp.
Philipp glich die zweimalige Werder-Führung durch Marvin Ducksch (43.) sowie Niclas Füllkrug (77./Foulelfmeter) in der 72. und 79. Minute jeweils aus. Für den endgültigen K.o. der nach einem Platzverweis gegen Amos Pieper (Notbremse an Luca Marseiler) seit der elften Minute in Unterzahl agierenden Bremer sorgte dann Donny Bogicevic Sekunden vor dem Abpfiff der vierminütigen Nachspielzeit. „Es zeichnet die Mannschaft einfach aus, dass sie unermüdlich kämpft. Aber so ganz begreifen kann ich das trotzdem noch nicht. Mit einem entscheidenden Treffer in der letzten Aktion eines Spieles kann man schließlich nicht ernsthaft rechnen“, meinte Trainer Olaf Janßen.
Mittelfristig ist für Viktoria
die zweite Liga realistisch
Seit dem 1. Februar 2021 arbeitet der gebürtige Krefelder als Nachfolger von Pavel Dotchev auf der „schäl Sick“ im Kölner Osten. In bisher 108 Drittliga-Spielen erzielte er einen Punkteschnitt von 1,59, nach einer Stabilisierungsphase mit den Plätzen 12 und 13 führte Janßen die Schwarz-Weiß-Roten in der vergangenen Saison auf Rang neun. Mittelfristig scheint der ob seiner beachtlichen Fortschritte in Sachen Nachwuchsarbeit und Finanzen inzwischen sehr solide aufgestellte Verein den Aufstieg in die zweite Liga in Angriff nehmen zu können. Dort allerdings müsste dann das in den 80er-Jahren stehengebliebene Stadion im Höhenberger Sportpark massiv modernisiert werden.
In den 80ern war es auch, dass die Viktoria bis zum vergangenen Samstag das einzige Mal Werder Bremen empfangen hatte. Fast auf den Tag genau vor 43 Jahren gewann der damalige Bundesliga-Absteiger in der 2. Liga Nord vor 6000 Zuschauern mit 2:1. Vor jetzt 8343 Besuchern im damit ausverkauften Stadion an der Frankfurter Straße reichte dem viermaligen Deutschen Meister nun als Bundesligist diese Führung nicht, womit den Kölnern eine ganze späte Revanche gelang. Denn in jener Saison 1980/81 hatten die Höhenberger in der ersten Runde des DFB-Pokals im Weserstadion nach Verlängerung mit 3:6 den Kürzeren gezogen. Für Werder trafen damals so klangvolle Namen wie Erwin Kostedde, Benno Möhlmann, Norbert Meier und Uwe Reinders.
David Philipp wartete da noch fast 20 Jahre auf seine Geburt und ob sein Name auch einmal derart klangvoll sein wird, muss die Zukunft zeigen. Am Coup gegen seinen Ausbildungs-Verein jedenfalls war der Offensiv-Akteur maßgeblich beteiligt. „Es ist unglaublich, dass wir dieses Duell für uns entschieden haben. Vom Anpfiff weg haben wir es gut angenommen, die Rote Karte der Bremer hat uns dann natürlich auch geholfen. Durch diese konnten sie ihr Spiel nicht mehr wie geplant durchziehen. Ab dem Moment hatte ich in jeder Minute das Gefühl, dass wir die Überraschung schaffen können“, sagte Philipp.
52 Treffer hatte der gebürtige Hamburger in zwei Saisons für Werders U19 erzielt, bevor die Karriere-Entwicklung auch wegen diverser Verletzungen ins Stocken geriet. In Köln aber geht es seit März wieder aufwärts. Vier Treffer und zwei Tor-Vorlagen gelangen in der Liga, nun folgte der Doppelpack im Pokal. „So richtig begreifen werde ich das wohl erst in ein paar Tagen, im Moment bin ich noch voller Adrenalin. Was ich aber sagen kann ist, dass ich über meine jüngste Entwicklung hier froh bin.“
Mitleid mit Werder hatte Philipp nach dem großen Triumph nicht, mit etwas Abstand aber gingen die Gedanken dann doch noch einmal zurück zu seinen Wurzeln. „Ich bin seit jeher Werder-Fan und habe meine ganze Jugend dort verbracht. Als Favorit ist es halt immer eklig, bei einem unterklassigen Verein ran zu müssen. Wir kennen das aus unseren Partien bei Landesligisten im Verbands-Pokal ja selber zur Genüge. Für die Bundesliga wird Werder diese Niederlage nicht umhauen. Sie haben einen guten Kader und werden eine ordentliche Saison spielen“, erklärte Philipp und verschwand auf ein Glas Kölsch. Nicht ohne augenzwinkernd hinzuzufügen: „Wird heute mal eins mehr.“