Vor dem Bundesliga-Topspiel Der Meister muss wieder dicht werden

Leverkusen · Bayer 04 Leverkusen kassierte bislang viele einfache Gegentreffer. Vor dem Spiel in München schrillen deshalb die Alarmglocken.

Besser früh als zu spät: Leverkusens Granit Xhaka hat die Fehler der vergangenen Wochen benannt.

Besser früh als zu spät: Leverkusens Granit Xhaka hat die Fehler der vergangenen Wochen benannt.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Eigentlich war bei Bayer 04 Leverkusen am vergangenen Sonntag alles wie gehabt – einmal mehr hatte die „Werkself“ in der Nachspielzeit getroffen. Diesmal gegen den VfL Wolfsburg, diesmal durch Victor Boniface. Das 4:3 des Nigerianers in der 93. Minute brachte drei Punkte und damit den sechsten Sieg im siebten Pflichtspiel dieser Saison. Der Meister ist also bereit für das Gipfeltreffen beim verlustpunktfreien Spitzenreiter FC Bayern München am Samstag ab 18.30 Uhr in der Arena von Fröttmaning? Mitnichten. Um gegen die mit 29 Treffern in sechs Pflicht-Partien derzeit auf Hochtouren produzierende Tormaschine von der Säbener Straße bestehen zu können, muss die „Werkself“ ein aufgetretenes Defizit in den Griff bekommen.

„Wir müssen hier jetzt nicht über die Nachspielzeit reden, sondern selbstkritisch zu uns sein. So geht das nicht, so reicht es nicht. Wir nennen uns eine Spitzenmannschaft, aber eine Spitzenmannschaft kassiert nicht drei Gegentore in einer Halbzeit“, polterte Kapitän Granit Xhaka in den Katakomben der BayArena, noch bevor ihn ein Journalist überhaupt darauf ansprechen konnte. Und auch Trainer Xabi Alonso meinte zwei Etagen höher bei der Pressekonferenz auf eine Frage unserer Zeitung: „Bitte nehmen Sie keine Zahlen aus der vorherigen Saison, diese ist Vergangenheit. Aber Sie haben natürlich Recht, die Zahl unserer Gegentreffer ist viel zu hoch. Wenn wir so weitermachen, dann werden wir nicht die Möglichkeit haben, um wieder etwas Großes erreichen zu können.“

Schon 37,5 Prozent der Gegentore aus der vergangenen Saison

Der Vergleich mit der ungeschlagenen Meister-Saison muss freilich dennoch sein. In ihr kassierte die „Werkself“ in 34 Bundesliga-Partien lediglich 24 Gegentore, nach nur vier Begegnungen dieser Spielzeit sind es bereits derer neun und damit schon jetzt 37,5 Prozent der Anzahl aus 2023/24. Der Gegentorschnitt pro Spiel kletterte also von 0,71 auf 2,25. Bliebe er so, dann würden am Ende der Saison 77 Gegentreffer zu Buche stehen und damit zehn mehr als bei der in der vergangenen Saison als Schießbude verschrienen Defensive von Borussia Mönchengladbach. Zudem erhöhte sich bei Leverkusen der Wert an zugelassenen Chancen pro Partie von 3,6 auf 5,3. „Wir lassen zu viel zu und bekommen zu viele Gegentore, das müssen wir offen und ehrlich ansprechen“, sagte Abwehrchef Jonathan Tah.

Dem Team von Xabi Alonso fehlt es aktuell an der Kompaktheit, die es im Meister-Jahr ausgezeichnet hat. Hinter den beiden „Sechsern“ und der Dreier-Abwehr klafften gegen Wolfsburg wie auch zuvor beim 2:3 gegen RB Leipzig immer wieder aufs Neue große Lücken. Räume, welche die Gegner dankend zu erfolgreichen Abschlüssen angenommen haben. Xhaka sieht das Problem in erster Linie am nachgelassenen Biss und Hunger, das eigene Tor verteidigen zu wollen. „Wolfsburg und Leipzig haben uns ja nicht auseinanderkombiniert, bei uns wurden die nötigen Läufe nach hinten nicht gemacht. Zudem haben wir ohne Ball die Abstände nicht klein genug gehalten, um schnell ins Pressing kommen zu können. Es hat mit dem Kopf zu tun, ob man bereit ist, diesen Meter mehr machen zu wollen.“

Zwar wurde die angesichts des Double-Gewinns offenbar etwas geringere Fokussierung bereits im Vorfeld der Saison als Gefahr ausgemacht, der alleinige Grund für die offenen Schotten ist sie angesichts der guten Mentalität im Kader gleichwohl nicht. Vielmehr ist auffällig, dass die für den modernen Fußball neuralgische „Doppel-Sechs“ in der Kombination Xhaka/Garcia nicht funktioniert. Der vom FC Girona geholte Aleix Garcia ist wie Xhaka eher ein Strippenzieher und noch weit mehr als der Schweizer ein technisch begabter Künstler. Was den Spanier des Öfteren dazu verleitet, Positionstreue und taktische Disziplin zu vernachlässigen. Zwei „Achter“ im Maschinenraum aber sind einer zu viel.

Andrich scheint der Schlüssel zur Stabilität

Neben Xhaka - oder wenn dieser aus Gründen der Belastungssteuerung mal geschont werden sollte auch Garcia - braucht es einen klar defensiv denkenden Arbeiter. Insofern drängen nach den gewonnenen Erkenntnissen für das Duell mit den ob ihres an Leverkusen verlorenen Titels angestachelten Münchenern zwei Akteure in die Start-Elf. Zum einen ist Exequiel Palacios wieder eine Option. Der Argentinier hatte sich nach der Copa America einer Operation am Innenmeniskus des rechten Knies unterziehen müssen. Beim 4:0 im Champions-League-Spiel bei Feyenoord Rotterdam sowie gegen Wolfsburg wurde der 25-Jährige jeweils eingewechselt und bereitete gegen die Niedersachsen überdies den Siegtreffer von Boniface vor.

Erste Wahl jedoch dürfte der gegen Wolfsburg pausierende Robert Andrich sein. Xhaka schätzt den seit Sonntag 30 Jahre alten Nationalspieler, der ob seiner handwerklichen Art oft immer noch unter dem Radar fliegt. Doch Handwerk hat bekanntlich goldenen Boden, im Falle der „Werkself“ bedeutet es ein stabiles Fundament.

Die Rolle Andrichs
ist eine wichtige

In den fünf Pflichtspielen mit Andrich kassierte Leverkusen fünf Gegentreffer, allerdings stand er nur bei vier davon auf dem Platz – drei Minuten nach seiner Auswechslung in Mönchengladbach gelang der Borussia das 2:2. In den zwei Partien gegen Leipzig und Wolfsburg verzichtete Alonso auf Andrich, es hagelte sechs Gegentore. „Wir brauchen den ganzen Kader, aber natürlich muss ich die richtigen Personalentscheidungen treffen“, erklärte Alonso. Er wird seine Schlüsse aus diesen Zahlen ziehen.