Fangemeinde explodiert: Frauenfußball plötzlich in
Berlin (dpa) - Deutschland entdeckt den Frauenfußball: Viele Millionen vor den Fernsehern und fast 74 000 im Olympiastadion haben mit dem 2:1-Auftaktsieg der Nationalmannschaft den perfekten Start in die Heim-WM gefeiert.
„Endlich geht's los“, rief Bundespräsident Christian Wulff in seiner Eröffnungsrede in die bebende Berliner WM-Arena. Auch Kanzlerin Angela Merkel zeigten sich beim Eröffnungsspiel zwischen der deutschen Elf und Kanada begeistert. „Ich finde das ganz toll“, lobte Merkel die Stimmung im mit 73 680 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion.
FIFA-Chef Joseph Blatter hatte kurz vor dem Anpfiff getwittert: „Das Stadion ist voll. Das ist ein weiteres Zeichen für die Euphorie, die Deutschland 2011 geweckt hat.“ Mehr als 100 000 Besucher waren schon am Samstagabend bei der Kick-off-Show „Ballzauber“ in Frankfurt. Auch in den anderen WM-Spielorten feierten Zehntausende Fans beim Public Viewing eine schwarz-rot-goldene Party.
Politik, Prominenz und Medien - noch bevor die Weltmeisterschaft so richtig Fahrt aufgenommen hat, fiebern plötzlich alle mit den Protagonisten der einstigen Randsportart. Und Kerstin Garefrekes (10. Minute) und Celia Okoyino da Mbabi (42.) heizten mit ihren Toren beim hochverdienten Auftakterfolg der DFB-Auswahl die WM-Stimmung weiter an. Auch der Gegentreffer von Kanadas Topstar Christine Sinclair (82.) störte den Jubel kaum.
Mit inzwischen 720 000 verkauften Karten ist die erhoffte Auslastung der Stadien von 80 Prozent bereits am ersten WM-Wochenende erreicht. „Das ist ein sehr, sehr gutes Zeichen“, sagte Steffi Jones, die Präsidentin des Organisationskomitees. Die Kulisse in Berlin ist ein Europarekord für Frauen-Fußballspiele.
Die Auftaktpartie zwischen Frankreich und Nigeria in Sinsheim sahen immerhin 25 475 Zuschauer in der Rhein-Neckar-Arena. Marie-Laure Delie erzielte in der 56. Minute den ersten Treffer der WM und sorgte damit für den 1:0-Sieg der „Les Bleues“ in einer eher mäßigen Partie. Nigeria ist der nächste Gegner der derzeit so umschwärmten DFB-Auswahl.
Kaum eine Zeitung hierzulande, die am Samstag nicht in großem Umfang auf das größte deutsche Sportereignis hingewiesen hätte. „Mann, frauen wir uns auf die WM“, titelte „Bild“ über die halbe Seite.
Angesichts des großen Zuspruchs und Interesses gab sich auch Weltverbandschef Blatter generös. Der umstrittene FIFA-Präsident kündigte in Berlin an, sich für höhere Prämien bei künftigen Frauen-Weltmeisterschaften einzusetzen. Bei dieser WM schüttet die FIFA 7,6 Millionen US-Dollar (5,35 Millionen Euro) an Prämien aus, 2007 waren es noch 6,4 Millionen. Eine Million erhält der Weltmeister, 18 Millionen kassierte übrigens Spaniens Männerteam für seinen Triumph 2010 in Südafrika.
„Ich bin selbst überrascht, dass nicht mehr drin ist“, sagte Blatter, dessen mächtige Herren-Welt bei der FIFA einen Milliarden-Haushalt verwaltet. „Ich werde es an die Finanzkommission weitergeben.“ Allerdings verwies er darauf, dass die Männer-WM das einzige Turnier sei, „das der FIFA Geld bringt“. Das Weltturnier bezeichnete Blatter als „Meilenstein in der Entwicklung des Frauenfußballs“, weil das Turnier in der „Männerphalanx“ Deutschland stattfinde.
Bevor sich die Prominenz von Blatter bis hin zu Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Eröffnungsspiel aufmachte, hatten Bundespräsident Christian Wulff und seine Gattin Bettina am Samstagabend zum festlichen Dinner im Museum für Kommunikation geladen.
Auch die Politik verspricht sich einiges von der 51 Millionen Euro teuren ersten Frauen-WM in Deutschland. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sieht in dem Endrundenturnier eine Chance, Frauenrechten weltweit mehr Gehör zu verschaffen. „Frauenrechte sind Menschenrechte. Deshalb hat die Frauen-Fußballweltmeisterschaft auch eine Botschaft für mehr Freiheit und Chancengleichheit von Frauen“, erklärte die FDP-Politikerin. „Das Auswärtige Amt fördert insbesondere den Frauenfußball in Afrika und im Nahen Osten, wo Frauen häufig noch von Gewalt betroffen sind und unter Benachteiligung leiden.“
Grünen-Chefin Claudia Roth erhofft sich von der Teilnahme Nordkoreas ein Signal gegen die völlige Abschottung des Landes. Vor dem Spiel Nordkorea-USA in Dresden sagte Roth der Nachrichtenagentur dpa: „Da werden sich die Spielerinnen die Hand geben müssen, das ist FIFA-Reglement. Die Hoffnung ist, dass über ein Spiel, über den Sport, über diese WM Begegnungen möglich gemacht werden, die vielleicht große betonierte Mauern einbrechen lassen.“