Stiller Star im Rampenlicht
Kerstin Garefrekes erzielt das erste Tor des Titelverteidigers, der am Ende doch noch einmal zittern muss.
Berlin. Vielleicht war es jetzt einfach an der Zeit, das Spiel an sich in den Vordergrund zu rücken. Sie hatten sich für unzählige Werbespots und Imagefilme geschminkt und übermäßig viel reden müssen, sie wurden fotografiert und sollten sich über ihr Intimleben auslassen. Und dann, als mit dem Start der WM tatsächlich der Fußball in den Vordergrund geriet, stand ausgerechnet Kerstin Garefrekes im Mittelpunkt.
In Ibbenbüren geboren, ein spröder Typ, der nicht so recht taugen mag für die Vermarktungsmaschinerie des DFB. Die zuvor kaum gefragt war und noch seltener von den Hochglanzbättern der Republik gelächelt hatte. Beim 2:1 (2:0) der durchaus überzeugenden deutschen Frauen-Nationalmannschaft zum WM-Auftakt gegen Kanada in Berlin war die Frau, die halbtags in der Stadtkämmerei Frankfurt arbeitet, die überragende Spielerin in einem über weite Strecken vor Kraft strotzenden Team.
Rannte mit Hingebung und ausdauernd, agierte mit Technik, Hirn und Herz — und erzielte das frühe 1:0 in der 10. Minute für das deutsche Team — der Eisbrecher, vielleicht eines ganzen Turniers. Am Ende wählte sie die Fifa zur „Spielerin des Tages“. „Eine tolle Auszeichnung, aber wir verlieren und gewinnen zusammen“, sagte Garefrekes trocken. Keine Nachfragen. Und doch waren Team und Bundestrainerin mit der ersten Halbzeit nicht zufrieden. „Wir müssen uns noch deutlich steigern“, sagte Garefrekes, und Neid sprach von einer „schlechten ersten Hälfte, in der wir die Bälle viel zu schnell weggegeben haben. Das haben wir nach der Pause sehr viel besser gemacht“. Das war viel Understatement, zeigt aber auch, welches Potenzial in dieser Mannschaft steckt. Vor allem die offensive Dreierreihe hinter Prinz um Melanie Behringer, da Mbabi und Garefrekes fand das Gefallen von Neid. „Sie haben viele Chancen herausgearbeitet und von außen auch gute Flanken geschlagen.“
Die große Bühne Berlin hat die DFB-Elf genutzt. Spielerisch anspruchsvolle Angriffe, hohes Tempo, jederzeit auf die Offensivaktion aus. Das hatte Klasse und wird manchem Fußball-Chauvinisten unsanft die Augen geöffnet haben. Bundestrainerin Silvia Neid hatte überraschend auf Inka Grings in der Startaufstellung verzichtet, dafür agierte Celia Okoyino da Mbabi hinter der Spitze Birgit Prinz.
Filigrantechnikerin da Mbabi, die am Montag Geburtstag feiert, sorgte mit Garefrekes über rechts immer wieder für Torgefahr. Und traf auch noch: Das 2:0 drei Minuten vor der Pause durfte als Vorentscheidung gelten. Nach der Pause vergab die deutsche Elf zahlreiche Chancen, musste schließlich auch noch den Anschlusstreffer durch einen herrlichen Freistoß von Christine Sinclair hinnehmen, die das Spiel mit einem Nasenbeinbruch beendete. Das DFB-Team zitterte sich zum ersten Sieg und feierte hernach — den Durchbruch des Fußballs. Endlich.