Eröffnung: Die WM entfaltet ihren Fußball-Zauber

Ausgelassen und euphorisch feiern 73 680 Zuschauer im Berliner Olympiastadion den Auftakt des Turniers.

Berlin. Es sind tatsächlich mehr Frauen da. Und Kinder. Berlin, so scheint es, hat zum Auftakt der Frauenfußball-Weltmeisterschaft den Familientag ausgerufen. Sie tragen schwarz-rot-goldene Perücken, Trikots, die Gesichter bemalt, stets mit entspanntem Lächeln.

Frauen-WM in der Hauptstadt. Und eigentlich ist alles wie immer, wenn Deutschland seine besten Fußballer aufs Feld schickt. „Heute haben wir uns für die Frauen mal richtig in Schale geschmissen, wa“, sagt ein Ur-Berliner in der S-Bahn. Der Rollenwechsel klingt sympathisch. Der Mann trägt ein Trikot von Lukas Podolski von der WM 2010 in Südafrika, seine Tochter ein tailliert geschnittenes von Lira Bajramaj. Von der WM 2011.

Ein Jahr nach der jüngsten Männer-WM gilt: Wo Frauenfußball draufsteht, da ist immer auch ein bisschen Männerfußball drin. Und doch ist es anders. Weniger alkoholreich, weniger laut, dafür ungezwungener und friedfertiger. Ab dem Nachmittag lacht die Sonne über Berlin, während sie in Sinsheim zum ersten WM-Spiel des Turniers zwischen Nigeria und Frankreich ohnehin gebucht scheint. „Dazu brauchen wir nicht mal den Kaiser“, hat die OK-Chefin Steffi Jones am Vortag in Berlin gesagt und Franz Beckenbauer gemeint.

Natürlich sitzt der Kaiser zum Anstoß dennoch auf der Tribüne. Und lächelt. Die DFB-Maschinerie läuft vor dem Anpfiff nahezu perfekt. 700 000 der 900 000 Karten des Gesamtkontingents sind verkauft, allein in den letzten vier Wochen gingen noch einmal 100 000 Tickets über den Ladentisch. Die massive Werbekampagne konnte niemanden verfehlen. Allein die Entscheidung für oder gegen diesen Sport blieb dem deutschen Bürger noch überlassen.

73 680 Fans füllen das historische Stadion in Berlin an diesem Tag. Es ist, als erlebe der Frauenfußball an dieser Stätte einen historischen Moment: Ausgelassene, ja euphorisch ist die Stimmung. Momente für Gänsehaut, als die deutsche Elf einläuft. Mit Spielerinnen, die in der Frauen-Bundesliga fast niemand sehen will. Das Ganze ist paradox, aber es fühlt sich wie ein Anfang an. Es ist 17.43 Uhr, als über 2000 Freiwillige aus Berlin und Brandenburg Protagonisten der Eröffnungszeremonie sind, in deren Mittelpunkt aus einer riesigen Weltkugel tausende von Fußbällen gen Luft steigen. Das Ganze ist nicht sonderlich teuer, aber farbenfroh und engagiert — und nach zwölf Minuten vorbei.

Kurz vor Spielbeginn erklärt Bundespräsident Christian Wulff mit Jones das dreiwöchige Ereignis offiziell für eröffnet. Vom umstrittenen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter, als Zeremonienmeister angekündigt, keine Spur. Wahrscheinlich hätte der Gute auch nur gestört. Der Tag in Berlin hatte so etwas herzhaft Reines.