Zwanziger: „Diese Art gehört sich nicht“
Frankfurt/Main (dpa) - Theo Zwanziger zeigt sich von den Attacken aus der Bundesliga gegen Bundestrainerin Silvia Neid „ehrlich enttäuscht“.
„Es dürfe keine Streitkultur wie bei den Männern in den Frauenfußball Einzug halten“, sagte der DFB-Präsident im Interview der Nachrichtenagentur dpa und fordert die Chefkritiker zur Entschuldigung auf.
Wie beurteilen Sie die teils deutliche Kritik aus der Bundesliga an Bundestrainerin Silvia Neid nach dem WM-Ausscheiden?
Theo Zwanziger: „Das hat mir überhaupt nicht gefallen. Es macht doch gar keinen Sinn, einer äußerst erfolgreichen Trainerin, die ihr eigenes Ziel nicht erreicht hat und darüber selbst am meisten enttäuscht ist, noch etwas nachzuwerfen. In diesem Punkt habe ich den Zusammenhalt im Frauenfußball anders eingeschätzt.“
Wen sprechen Sie genau an?
Zwanziger: „Ich bin besonders enttäuscht von meinem Freund Bernd Schröder, der sich in allen möglichen Zeitungen während des Turniers auf eine journalistische Laufbahn begeben musste. Bislang habe ich ihn als hervorragenden Trainer von Turbine Potsdam geschätzt. Ich verstehe auch nicht, dass der Manager des 1. FFC Frankfurt, Siggi Dietrich, über Birgit Prinz gewisse Dinge hinterfragt. Ich bin enttäuscht, dass sich zwei Personen, mit denen ich eigentlich weiter intensiv zusammenarbeiten wollte, in dieser Art gegen die Bundestrainerin stellen.“
Was genau hat Ihnen missfallen?
Zwanziger: „Mir hat besonders wehgetan, dass Bernd Schröder gesagt hat, Silvia Neid sei ein Typ, der die Mädels untereinander ausspielt. Das geht einfach nicht. Ich habe von Silvia Neid einen ganz anderen Eindruck. Sie ist eine Trainerin, die sich ausschließlich an Leistung orientiert. Und vielleicht missfällt es einigen Leuten, wenn ihre Schützlinge dabei nicht berücksichtigt werden.“
Ist der Bruch noch zu kitten?
Zwanziger: „Ich habe die Hoffnung, dass Bernd Schröder und Siggi Dietrich den Weg mit einem entschuldigenden Wort finden und sagen: Wir sind zu weit gegangen. Eine sachliche Analyse sollte für jeden wichtiger sein als Selbstinszenierung. Ich bin über diese Aussagen ehrlich enttäuscht: So kann man nicht zusammen arbeiten! Damit werden Autoritäten wie die Bundestrainerin untergraben. Ich hoffe, dass die Herren Größe zeigen, auf Silvia Neid zugehen und ihr sagen: So haben wir das nicht gemeint und gewollt.“
Haben Schröder und Dietrich als Vertreter der führenden Bundesliga-Vereine nicht das Recht, Kritik zu äußern?
Zwanziger: „Kritischer Dialog ist das eine, öffentliches Nachkarten etwas anderes. Der DFB hat sich fair und ehrlich verhalten, in dem festen Wunsch, nach dieser WM gemeinsam an der Bundesliga zu arbeiten. Nur so wird es doch gehen. Und man sollte dabei auch nicht vergessen, dass wir fast drei Millionen Euro Fernsehgelder an die Bundesliga geben. Das sind Gelder, die die Nationalmannschaft einspielt.“
Ist das Verhältnis zur Liga belastet?
Zwanziger: „Um das noch einmal zu unterstreichen: Ich bin selbst Mitglied in einigen Vereinen, unter anderem bei Turbine Potsdam und dem FFC Frankfurt, um den Zusammenhalt und das gemeinsame Arbeiten von Verband und Vereinen zu unterstreichen. Unsere Arbeit wird natürlich von Journalisten kritisch hinterfragt, das ist auch vollkommen richtig so. Aber Verband und Clubs sitzen in einem Boot, da kann man doch nicht plötzlich selbst Löcher in den Bug schießen und das Boot damit zum Kentern bringen. Wenn man sich so verhält, fragt man sich schon, ob eine Mitgliedschaft noch Sinn macht?“
Wie soll es nun weitergehen?
Zwanziger: „Seit vielen Jahren habe ich mich sehr um die Entwicklung des Frauenfußballs bemüht, deshalb will ich auch diese gemeinsame Arbeit nicht durch weitere öffentliche Diskussionen belasten. Gemeinsam mit der zuständigen Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg werde ich in der kommenden Woche Bernd Schröder und Siggi Dietrich zu einem Gespräch nach Frankfurt einladen um zu besprechen, wie die weitere Zusammenarbeit konkret aussehen kann.“
In der Männer-Bundesliga ist es normal, dass sich nach Misserfolgen Kritiker wie Uli Hoeneß zu Wort melden.
Zwanziger: „Aber das ist doch genau der Punkt: Es gibt keinen Uli Hoeneß in der Frauen-Bundesliga. Die Männer-Bundesliga ist stark. Aber bei den Frauen gibt es noch große Abhängigkeiten zwischen den Vereinen und dem Verband. Wir dürfen deshalb keine Gemeinsamkeiten opfern und eine Streitkultur wie im Männerfußball einführen.“
Warum wäre das ein Problem?
Zwanziger: „Die Zuschauer des Frauenfußballs wollen doch genau das nicht. Die Leute haben keine Männer-Bundesliga vor sich, sondern ein zartes Pflänzchen, darauf müssen alle aufpassen. Es ist kontraproduktiv, was jetzt von einigen Vereinsvertretern gemacht wurde, und ich halte es für absolut respektlos. Diese Art miteinander umzugehen gehört sich einfach nicht. Ich habe direkt nach dem Ausscheiden zum Beispiel eine SMS von der Bundeskanzlerin bekommen, in der es hieß, wir sollen uns nicht auseinanderdividieren lassen.“
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass die Vertragsverlängerung mit Silvia Neid nicht korrekt abgelaufen sei, weil sie erst drei Tage nach der Verkündung vom Präsidium beschlossen wurde?
Zwanziger: „Das ist kompletter Unsinn. Es ist gängige Praxis, wie sie auch in der Satzung beschrieben ist. Der Präsident, der Generalsekretär, der Schatzmeister und der fachlich zuständige Vizepräsident sind befugt, in Abstimmung bei solchen Fragen vorzugehen, danach geht das Thema ins Präsidium. Es ist ein völlig normaler Vorgang.“
Hätte man das nicht längst in einer Präsidiumssitzung abklären können?
Zwanziger: „Ich hatte zu einem früheren Zeitpunkt schon mal mit Silvia Neid gesprochen, da war sie in der Turnierplanung und hatte aber noch gar keinen Kopf dafür. Einige Tage vor der Pressekonferenz, wo die weitere Zusammenarbeit bekanntgegeben wurde, hatte ich mit ihr telefoniert und sie gefragt: Silvia, ist das etwas, was dir helfen kann? Da habe ich gespürt, dass sie dieses Signal gerne sehen würde.“
Silvia Neid sprach von Zweifeln, ob sie weitermachen soll und wollte dies nach der WM entscheiden. Und am gleichen Tag wird bekanntgegeben, dass sie ihren Vertrag erfüllt. Warum dieser Zick-Zack-Kurs?
Zwanziger: „Bei all diesen Enttäuschungen, die sie erlebt hat, ist das doch erklärbar. Sie ist im Moment immer noch nicht in der Lage, das Abschneiden abschließend zu analysieren, sie ist immer noch aufgewühlt. Da können schon mal widersprüchliche Reaktionen kommen. Aber es hätte doch nichts gebracht, noch 14 Tage zu warten.“
Von wem ging die Initiative zum entscheidenden Gespräch aus?
Zwanziger: „Von Wolfgang Niersbach und mir. Wir haben gesagt: Wir müssen jetzt mit ihr sprechen.“
Spielführerin Birgit Prinz hat die Kommunikation mit der Bundestrainerin kritisiert. Was ist da schiefgelaufen?
Zwanziger: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Kommunikation nicht gestimmt hat. Silvia Neid hatte mich selbst gebeten, nochmal mit Birgit zu sprechen. Sie hat mir gesagt: 'Birgit ist in einer schwierigen Verfassung. Ich habe alles getan, ich habe ihr ein Einzelzimmer gegeben. Tu mir den Gefallen, sprich auch nochmal mit ihr.' Es war ihr Wunsch, Birgit zu helfen. Ich habe Birgit Mut zugesprochen.“
Wie bewerten Sie die Kritik von Prinz?
Zwanziger: „Ich hätte mir gewünscht, dass Siggi Dietrich sie richtig beraten hätte. Die Beratung hätte sein müssen: Lass die Vergangenheit ruhen. Sie muss es jetzt nur verarbeiten und abhaken und dann mit dem DFB zu einer würdevollen Verabschiedung kommen. Das ist die einzige Aufgabe, das Nachkarten macht doch keinen Sinn.“
Wird es ein Abschiedsspiel für sie geben?
Zwanziger: „Es muss eine angemessene Verabschiedung geben, wie die genau aussehen kann, wird man sehen. Sie ist eine so überragende Spielerin, sie hat Außergewöhnliches geleistet. Ich habe ihr gesagt: Wir stehen jederzeit zu Gesprächen zur Verfügung.“