Ban Ki Moon verurteilt auf IOC-Session Homophobie
Sotschi (dpa) - Die nahezu unmaskierte Kritik von Ban Ki Moon an Wladimir Putin traf Sotschis Olympia-Macher zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Kurz vor der Eröffnung der Winterspiele am Freitag verurteilte der UN-Generalsekretär Homophobie mit überraschend deutlichen Worten und prangerte damit indirekt auch den Kremlchef und das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz an, das seit mehreren Monaten international für große Empörung sorgt. „Wir alle müssen unsere Stimme erheben gegen Attacken gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen. Wir müssen uns gegen die Verhaftungen, Gefängnisstrafen und diskriminierenden Einschränkungen wehren, die ihnen drohen“, sagte der Diplomat aus Südkorea auf der 126. IOC-Vollversammlung in Sotschi.
Die Replik der russischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. Vize-Regierungschef Dmitri Kosak versicherte, dass „bei den Spielen“ niemand diskriminiert werde. Allerdings müssten Homosexuelle die Hände von Kindern lassen. Im Gastgeberland der Winterspiele gilt ein Verbot, in Gegenwart von Minderjährigen positiv über Homosexualität zu sprechen. Darauf stehen Geldstrafen.
Ban Ki Moons Verbalspitze diente gleichzeitig als Distanzierungshilfe für IOC-Präsident Thomas Bach, der stets darauf pocht, die nationalen Belange Russlands nicht mit der olympischen Mission zu vermischen. „Der Sport steht für Respekt und gegen jede Form von Diskriminierung“, betonte der deutsche Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nach der Ansprache Ban Ki Moons, der als erster UN-Generalsekretär auf einer IOC-Session eine Rede hielt. Anschließend stimmten sich beide als Fackelläufer im Zentrum von Sotschi gemeinsam auf das Olympia-Abenteuer an der Schwarzmeerküste ein.
„Wir sind Teamkollegen: Die olympischen Prinzipien sind die UN-Prinzipien. Wir wollen diese Werte zum Teil des Alltags in der ganzen Welt machen“, sagte Bach. Im Oktober 2009 hatte die UN-Vollversammlung der Ringe-Organisation den gewünschten Beobachterstatus gewährt. Das IOC hat kein Wahlrecht, darf aber an sämtlichen Diskussionen im Plenum teilnehmen und bei der Ausarbeitung von Resolutionen mitwirken, die der Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden.
Damals hatte Bach noch befürchtet, das IOC könne durch die Präsenz in diesem UN-Forum in brisante politische Diskussionen gezogen werden. Jetzt kam ihm die Vorlage von Ban Ki Moon in seinen Bemühungen entgegen, das IOC politisch neu positionieren zu wollen. „Wir wollen mehr als nur beobachten. Wir sind bereit, aktiv mitzuwirken und uns an den löblichen Unternehmungen der UN zu beteiligen“, sagte Bach.
Das neue Interesse an einer intensiveren Zusammenarbeit ist für ihn auf einmal die logische Konsequenz jahrelanger Kooperationen mit den Vereinten Nationen. Neben dem gemeinsamen Projekt „olympischer Waffenstillstand“ engagiert sich das IOC in zahlreichen Aktivitäten mit UN-Unterorganisationen wie UNESCO, UNEP und UNICEF für Entwicklungshilfe, Erziehung, Umweltschutz und den Kampf gegen Doping.
Zahlreiche IOC-Granden fordern bereits seit Jahren eine klarere Definition der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Viele Olympier sehen ihre Organisation am liebsten als moralische Instanz mit starker Stimme. Dagegen spricht nicht nur die permanente Bedrohung durch Dopingskandale.