Digel: Sotschi ein „Mahnmal“ - Seifert fordert Umdenken
Stuttgart (dpa) - Der Tübinger Sportsoziologe Helmut Digel hat in Interviews die immer teurer werdenden Olympischen Spiele kritisiert und den nächsten Austragungsort Sotschi als „Mahnmal“ bezeichnet.
„Der Entscheidungsprozess über die Vergabe Olympischer Spiele ist zu wenig transparent. Das Bewerbungsverfahren ist für die Bewerberstädte zu teuer, und unter Kosten- und Nutzengesichtspunkten haben sich die Risiken für die Bewerber erheblich erhöht“, mahnte der ehemalige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in den „Stuttgarter Nachrichten“.
In der in Ulm erscheinenden „Südwestpresse“ sagte das Council-Mitglied des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF: „Die Gefahr, dass immer weniger Länder in der Lage sind, Olympia auszurichten, wächst. Und wenn die Spiele irgendwann nur noch in autoritären Systemen möglich sind, wäre es der größte Schaden, den man der olympischen Bewegung zufügen könnte.“ Die Ausgaben von geschätzten 40 Milliarden Euro für die in acht Wochen in Sotschi beginnenden Winterspiele seien problematisch. „Nur ein autoritär geführter Staat wie Russland mit seinen fragwürdigen Finanzstrukturen kann so ein Budget bereitstellen. Sotschi ist für mich kein olympisches Aushängeschild, sondern ein Mahnmal“, kritisierte Digel.
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hat ebenfalls ein Umdenken der Sportverbände bei der Vergabe von großen Ereignissen gefordert. Hintergrund ist die Kritik an der Fußball-WM 2022 in Katar und den bevorstehenden Olympischen Winterspielen in Sotschi. Die großen internationalen Sportverbände hätten es versäumt, „die richtigen Schritte zu gehen“, sagte der Manager der Deutschen Fußball Liga der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ .
„Sie haben sich auf ihrem eigenen Planeten bewegt. In einer globalisierten Welt muss es ethische Standards geben“, meinte Seifert. Während Transparenz und Teilhabe in der gesellschaftlichen Debatte immer wichtiger werde, fragten sich viele, „ob die Umschläge, die bei der Vergabe von Großereignissen geöffnet werden, die einzigen waren, die auf dem Weg zur Verkündung auf dem Tisch lagen“. Zuletzt war Katar wegen der dort herrschenden menschenunwürdigen Bedingungen für Gastarbeiter angeprangert worden. Auch Russland wird wegen der Menschenrechtslage als Ausrichter der Winterspiele kritisch beäugt.
Sporthilfe-Vorstand Michael Ilgner kritisierte in derselben Zeitung die Strategie des organisierten deutschen Sports vor der gescheiterten Bürgerbefragung zur Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 in München. „In wenigen Wochen ist es extrem schwierig, die Begeisterung der Bevölkerung zu aktivieren“, sagte er mit Blick auf die Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes, die Wahl von Thomas Bach zum IOC-Präsidenten abzuwarten.