Wer ist beste Nation: Russen schauen auf Ausgewanderte

Sotschi (dpa) - Wladimir Mutko hat einen Traum. „Russland sollte Sporttalente anderer Länder mit Anreizen locken und dringend einbürgern“, sagt Wladimir Putins Sportminister am Rande der Olympischen Winterspiele.

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„In manchen Sparten fehlt uns schlicht der Nachwuchs“, räumt er ein.

In Sotschi ist Mutkos Traum bereits zum Teil wahrgeworden: Für das Gastgeberland gewannen die gebürtige Ukrainerin Tatjana Wolossoschar Gold im Paarlauf und der aus Südkorea stammende Victor Ahn Silber im Shorttrack. Beide besitzen einen russischen Pass und ließen sich den Wechsel einst gut bezahlen. Ahn, der fließend Russisch spricht, soll nach seiner aktiven Karriere sogar Nationaltrainer werden.

Doch es gibt auch die andere Seite: Russland laufen seit Jahren Talente davon, und auch sie feiern in Sotschi große Erfolge - allerdings unter anderer Flagge. In Russland geborene Spitzensportler, die für andere Länder internationale Ehren und Titel erringen - „das ist ein schmerzhafter Anblick“, bekennt Mutko.

Doch ob ein ehemaliger Koreaner oder eine Ex-Ukrainerin: Mitunter rechnen Russlands Staatsmedien den Medaillenspiegel auch schön, um die schleppende Olympia-Euphorie anzuheizen. So addierte die Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ die Medaillen jener Sportler, die in Russland geboren sind, schlicht zum Edelmetall des Gastgeberlands hinzu.

Das betraf zum Beispiel Iouri Podladtchikov, der für die Schweiz die Goldmedaille in der Snowboard-Halfpipe gewann, und Biathletin Anastasiya Kuzmina, die in Sibirien auf die Welt kam und für die Slowakei startet. Das seien „quasi russische Siege“, meinte die Zeitung - und schon sah die Medaillentableau für Russland schon viel besser aus als der offizielle Platz nur im Mittelfeld.

Wohl nichts verdeutlicht besser die Diskussion als der Fall Iouri Podladtchikov. Russische Behörden verweigerten dem 1988 in Podolsk geborenen Athleten die Unterstützung, weil sie dessen Sportart Snowboard als nicht prestigeträchtig genug einstuften. Podladtchikov wechselte in die Schweiz und kam dort als Weltmeister - und jetzt Olympiasieger - zu internationalen Ehren.

„Wir würden uns über seine Rückkehr freuen und ihn natürlich unterstützen“, sagt Sportminister Mutko in Sotschi. Doch für Podladtchikov ist dieser Zug abgefahren. „Es war zwar toll, als die Zuschauer „Ju-ra, Ju-ra“ riefen und es unwichtig schien, dass ich nicht für Russland starte“, sagt der 25-Jährige.

Einen erneuten Seitenwechsel kann er sich derzeit aber nicht vorstellen. „Für viele russische Trainer gilt Snowboard immer noch als irgendwie verrückte Trendsportart, aber in der Schweiz besitzt die Sparte schon Tradition“, sagt Podladtchikov.

Russland habe aus Versäumnissen gelernt, betont Mutko. Kritiker bezweifeln aber, dass die Talentförderung im Riesenreich tatsächlich schlagkräftiger geworden ist. Wegen Großprojekten wie Olympia oder die Fußball-WM 2018 in Russland fehle das Geld für den Nachwuchs, beklagen sie. Viel Geld versickere auch durch Vetternwirtschaft.

Doch nicht nur bei Wintersportarten, auch in der Leichtathletik will Russland künftig stärker punkten. Das Riesenreich habe vier Läufern aus Kenia und Äthiopien die Einbürgerung angeboten, sagt Mutko. „Noch 2014 sollen sie für uns gewinnen“, betont der Minister.