Bauermann: „Die jungen Spieler haben Dirk geholfen“
Siauliai (dpa) - Dirk Bauermann hat einen schweren Sommer hinter sich. Weil NBA-Champion Dirk Nowitzki und Chris Kaman erst sehr spät zum Team kamen, musste der Basketball-Bundestrainer praktisch zwei Vorbereitungen absolvieren.
Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa spricht Bauermann über Nowitzki, die Ziele bei der EM und warum er sich zuletzt vorkam wie ein Bildhauer.
Die Vorbereitung glich einem Wettlauf mit der Zeit.
Bauermann: „Das trifft es sehr gut. Der Prozess, Dirk Nowitzki und Chris Kaman zu integrieren, hätte eigentlich viel mehr Zeit benötigt. Die anderen Länder hatten ihre NBA-Stars viel früher dabei. Wir müssen sicherstellen, dass die beiden ihre Aktionen haben, ohne dass die anderen zu Statisten werden. Eigentlich entwickelt man diese Prozesse im Training, doch richtige Trainingseinheiten hatten wir nur vier. Und das ist natürlich viel zu wenig.“
War es Ihre schwerste Vorbereitung als Bundestrainer?
Bauermann: „Für mich als Trainer war es auf jeden Fall die unbefriedigendste, weil ich einfach nicht genug Zeit hatte. Das ist so, als wenn sie als Bildhauer einen Stein bekommen, aber sie haben nur eine Stunde Zeit, um etwas daraus zu machen.“
Sind Sie dennoch zuversichtlich, dass das Team an diesem Mittwoch gegen Israel voll da ist?
Bauermann: „Wir werden auf jeden Fall soweit sein, dass wir organisiert sind und dass unsere Spielidee sichtbar ist.“
Die Vorrunde kann bei der Schwere der Gruppe ja auch nicht mehr als verlängerte Vorbereitung dienen.
Bauermann: „Nein, überhaupt nicht. Schon das Auftaktspiel gegen Israel wird sehr schwer, weil die Israelis sehr unorthodox spielen. Sie machen es einem sehr schwer, einen Rhythmus zu finden. Wenn man sich instinktiv schon sehr gut versteht, dann ist das nicht so ein Problem. Wenn man sich aber selbst erst noch finden muss, dann ist das unangenehm. Da müssen wir schon voll da sein, dass Spiel dürfen wir nicht verlieren.“
Wäre bei einer Niederlage schon alles vorbei?
Bauermann: „Nein, natürlich nicht. Aber der Druck wäre dann natürlich noch größer. Wir haben aber auch 2005 das Auftaktspiel gegen die Italiener verloren und sind dann noch Vize-Europameister geworden. Dennoch wäre ein Erfolg gegen Israel natürlich enorm wichtig, weil es danach nur noch schwerer wird.“
Was bedeutet die Teilnahme von Dirk Nowitzki für den deutschen Basketball?
Bauermann: „Das ist einfach brutal wichtig für die Entwicklung des Basketballs. Aber man muss es auch nutzen, muss die Welle reiten. Man muss sofort mit Talentsichtungsprogrammen nachstoßen und die Kinder und Jugendlichen, die jetzt begeistert sind, zum Basketball holen.“
Wenn Sie in wenigen Worten beschreiben sollten: Was ist das Besondere an Dirk Nowitzki?
Bauermann: „Das Besondere an ihm ist die einzigartige Verknüpfung von menschlicher Größe und sportlicher Qualität. Das ist einmalig an ihm. Ich hatte die ersten ein, zwei Tage schon Zweifel, ob er sich da nicht zu viel zugemutet hat. Aber ich glaube, die jungen Spieler haben Dirk sehr geholfen. Die Tatsache, dass er sieht, da sind ein paar Jungs, die können richtig gut Basketball spielen, das macht ihm Spaß.“
Kann die riesige Erwartungshaltung, die im Moment in Deutschland herrscht, für das Team auch zur Belastung werden?
Bauermann: „Wir haben mit den Spielern geredet und versucht, ihnen den Druck zu nehmen. Man darf gespannt sein, wie sie damit zurecht kommen. Ich habe den Eindruck, dass sie es ganz gut hinbekommen. Was man aber verstehen muss, ist, wie stark der europäische Basketball ist. Das ist kein Feldhockey. Das ist wenigstens so stark wie Fußball. Es gibt keine große Sportnation in Europa, die im Basketball nicht stark ist. Und dazu kommen dann noch die ganzen anderen Länder, zum Beispiel vom Balkan.“
Und dann sind Sie auch noch in der 'falschen' Gruppe gelandet.
Bauermann: „Absolut. Da würde ich mir manchmal das Losglück der Fußballer wünschen. Und dann müssen wir in der Zwischenrunde auch noch gegen die Gruppe spielen, die mit Spanien, Litauen und der Türkei wenigstens genauso 'falsch' ist. Ich finde unsere Mannschaft gut, die Jungen haben sich gut entwickelt. Aber die anderen Teams haben alle viel mehr Euroleague-Erfahrung. Die haben sicher keinen Dirk, aber sie haben zum Teil mehr NBA-Spieler und Spieler, die international spielen.“
Welche Rolle spielt Chris Kaman im Team?
Bauermann: „Chris ist unser Anker, vor allem in der Verteidigung. Und er nimmt natürlich auch ein bisschen Verantwortung von Dirk weg. Zudem ist er einfach ein Riesentyp, der die Mannschaft bereichert. Die Jungs lieben ihn.“
Wie wichtige wäre es, schon einen Sieg mit in die Zwischenrunde zu nehmen?
Bauermann: „Das wäre sehr, sehr wichtig. Im Grunde reicht es gar nicht, sich einfach nur so für die Zwischenrunde zu qualifizieren. Wenn man da ohne Sieg reingeht, dann kann es schon sehr eng werden.“
Erstmals sind in Litauen 24 Teams bei einer EM dabei. Droht dadurch nicht ein Qualitätsverlust?
Bauermann: „Klar kann das ein bisschen passieren. Trotzdem finde ich die Entscheidung richtig, weil der europäische Basketball einfach so stark ist. Die Frage ist, ob das für die Veranstalter immer so machbar ist.“
Wer sind für Sie die Favoriten in Litauen?
Bauermann: „Ganz klar die Spanier. Die haben alles dabei. Und sonst fast alle die, die bei uns in der Vor- oder Zwischenrunde sind.“
Was erwarten Sie insgesamt von der EM in Litauen?
Bauermann: „In Litauen ist Basketball die absolute Sportart Nummer eins. Von daher sind sie ein absolut würdiger Veranstalter. Und gerade bei uns mit Dirk und Chris wird auch viel los sein.“
Es könnte theoretisch Ihr letzter Sommer mit dem Nationalteam sein. Kommt da ein bisschen Wehmut auf?
Bauermann: „Nein, gar nicht. Es gibt so viel zu tun, dass ich gar keine Zeit habe, sentimental zu werden. Es geht nur darum zu marschieren, zu attackieren und das Ziel zu erreichen.“
Wenn Sie dann spätestens 2012 abtreten, wer wird Ihr Nachfolger?
Bauermann: „Keine Ahnung. Wir haben verabredet, dass in dieser Frage auch meine Empfehlung und mein Rat eingeholt werden. Aber das ist im Moment das allerletzte, was mich interessiert.“
Könnten Sie sich denn auch Dirk Nowitzki irgendwann in der Rolle des Bundestrainers vorstellen?
Bauermann: „Ich kann mir Dirk in jeder Position vorstellen, die Frage ist, ob er sich das antut. Er sagt zwar immer, dass ihn Taktik und so nicht interessieren. Die Wahrheit aber ist, dass er sehr strategisch ist und eine sehr hohe taktische Intelligenz besitzt. Ich glaube, er könnte das alles, die Frage ist, ob er es will.“